Großartiges Debüt – unbedingt lesen!!!

Was soll ich um den heißen Brei herumreden und mir noch schicke Überschriften ausdenken, wenn man es in einem Satz sagen kann?

Am 18. April 2023 hatte das schmale Bändchen „22 Bahnen“ seinen Erstveröffentlichungstag – seither dürfen alle auch offiziell darüber reden und seither überschlagen sich in allen Medien, in den Feuilletons, ÜBERALL die Leser und Leserinnen mit ihren positiven Äußerungen.

Und ich muss sagen: Auch hier wird das nicht anders werden. Die grobe Rahmenhandlung (Ihr werdet es ja sowieso lesen, daher müsste ich eigentlich gar nicht so viel zum Inhalt sagen) ist folgende: Tilda ist Mathematikstudentin in einer eher kleineren Unistadt und wohnt noch zu Hause in einer Wohnung mit ihrer Mama und ihrer kleinen Schwester in der gar nicht so fröhlichen Fröhlichstraße.

Ihre Mama ist keine umsorgende Mutter, sondern hochgradige Alkoholikerin und ich WARNE ALLE, die jetzt aufhören wollen, weiterzulesen, weil es so unbequem klingt!! Dieses Buch ist WUNDERBAR und kein Depribuch, also schön dranbleiben, sowohl bei der Rezi als auch nachher beim eigentlichen Buch. Tildas Mutter ist also alkoholkrank mit allem was dazugehört: Kontrollverlust, gewalttätige Anwandlungen, danach Reue, Trauer, Verzweiflung über das eigene Versagen, kurzzeitig Mut zum Neuanfang, der aber niemals dauerhaft klappt.

Tildas kleine Schwester Ida ist 10 und hat einen anderen Papa als Tilda, aber auch das ist egal, denn keiner der beiden Väter spielt irgendeine Rolle, interessiert sich auch nur ein Mindestmaß für die beiden Mädels.

Tilda hat zwar kein klassisch funktionierendes Elternhaus, aber das, was man sich für Figuren in allen Büchern wünscht: eine authentische Stärke, eine innere Kraft, die glaubhaft ist. Denn sie hatte Glück im Unglück: Lehrer, die ihr Talent erkannten, eine gute Freundin und an dieser dranhängend eine intakte Familie, der sie sich anschließen durfte, bei der sie in ihrer eigenen Kindheit, als ihr Papa die Familie verlassen hatte, Unterschlupf fand, Abendessen konnte, wenn es zu Hause wieder nichts gab, und mit zu Ausflügen kommen durfte.

Als Ida auf die Welt kommt, werden die beiden Schwestern trotz großem Altersunterschied eine ganz feste Einheit. Tilda natürlich in einer Doppelfunktion von Mutterersatz und großer Schwester. Ida und Tilda lieben sich heiß und innig und wir begleiten die beiden eine Weile in ihrem außergewöhnlichen, aber dann doch wieder ganz normalen Alltag. Um den Kopf freizubekommen, geht Tilda so oft wie möglich im Freibad Schwimmen (eigentlich immer 22 Bahnen, bis …), Ida hingegen kommt nur mit, wenn es regnet, dann sind weniger Leute da und sie hat mehr Platz zum Tauchen. Eines Tages taucht im Schwimmbad ein Kerl auf, der ebenso akkurat schwimmt wie Tilda und der sie zudem an einen früheren Freund erinnert; im Supermarkt, in dem Tilda neben dem Studium arbeitet, steht plötzlich ihre beste Freundin Marlene, die gar nicht mehr hier lebt, sondern wegen des Studiums weggezogen ist, und dann bekommt Tilda auch noch eine Promotionsstelle in Berlin angeboten.

Aber so toll das klingt, wer soll sich dann um ihre kleine Ida kümmern? Im ersten Moment denkt Tilda, dass das eben eine wunderbare Chance ist, die sie nicht ergreifen kann, aber dann rattert ihr gutstrukturiertes Gehirn los und sucht nach Lösungen, die für alle erträglich sein könnten.

Wie Caroline Wahl diese Figuren zeichnet, Tilda, Ida, den Schwimmer Viktor und die egoistisch-chaotische Marlene, das ist wirklich genial. Selten bringen solche Dialoge, Beschreibungen direkt etwas in mir zum Klingen, aber hier ist das so. An jeder einzelnen Seite freut man sich! Manchmal weiß man beim Lesen, wenn so ein Kribbeln im Bauch entsteht, dass man hier etwas ganz, ganz Großes „erlesen“ darf – ein Buch, das es wert ist, nicht im nächsten Jahr schon wieder vergessen und überschüttet von neuen Bucherscheinungen zu werden. Caroline Wahl findet eine derart eigene, freche, unverbrauchte, authentische Sprache für ihre Protagonisten – alles ist echt, ungekünstelt, glaubhaft.

Wer bereit ist, sich in diese schlagfertigen, lebensklugen, verletzlichen, liebenswerten Figuren zu verknallen, sollte jetzt aber mal ganz schnell das mobile Endgerät in die Ecke stellen und in die Buchhandlung rennen oder rasch dort anrufen und ein Exemplar dieses Buches zurücklegen lassen, denn so gut, wie es überall besprochen wird, ist die erste Auflage sicherlich ratzfatz weg!

Womit kann ich „22 Bahnen“ vergleichen – falls das überhaupt nötig ist!? Mit wunderbaren anderen Büchern, die von (jungen) Menschen handeln, die ihren Weg gehen: „Wunder“ von Racquel J. Palacio, „Marianengraben“ von Jasmin Schreiber, „Glück ist eine Gleichung mit 7“ von Holly Goldberg Sloan, „Das Gegenteil von Hasen“ von Anne Freytag, „Der Markisenmann“ von Jan Weiler und und und …

Mit 208 Seiten eine ideale Lektüre für ALLE, denn auch Faulpelze können sich hier nicht rausreden: 200 Seiten schafft JEDER 😉

Das ist keine Empfehlung, sondern eine ganz heftige Kaufaufforderung 😉

„22 Bahnen“ von Caroline Wahl ist am 18.04.2023 im Dumont Verlag als gebundene Ausgabe erschienen. Zu mehr Informationen kommt man per Doppelklick auf das im Beitrag angezeigte Cover oder auf den Verlagsnamen.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..