„Für immer“ wird überschätzt

Matthias Kohm ist ein Neuling im Literaturbetrieb und hat ein spannendes Debüt vorgelegt mit „Ewig braucht doch keiner“. Sechs Jugendliche, die sich in einer ganz besonderen, außergewöhnlichen Lebenssituation befinden, schließen sich zu einer Gruppe zusammen, die das Thema „Religion“ näher beleuchtet und genau abklopft. Die traditionellen Religionen funktionieren aus den unterschiedlichsten Gründen nicht für sie, aber etwas, das Sinn stiftet, suchen sie dennoch. Warum überzeugen die herkömmlichen Religionen nicht wirklich, fragt sich Adrian, der Initiator dieser „Denkergruppe“. Er ist der große Zweifler, eher düster in seinen durchaus brillanten Gedanken und mit einem klaren Hang zur Arroganz. Und doch hat er Charisma, kann die anderen an sich binden. Meyer, der eigentliche Protagonist der Geschichte, braucht nicht wirklich einen Vornamen, auch wenn er ihn hat. Meyer – er fragt sich das erste Mal, ob das reicht als Anrede, als er sich mit Haut und Haaren in Johanna verliebt. Kann man „Ich liebe dich, Meyer“ sagen? Braucht man für diese Ebene dann doch eher einen Vornamen, für diese großen Emotionen?

Die Gruppe ist keine homogene Masse, es sind sehr unterschiedliche junge Menschen, die sich durchaus kratzbürstig aneinander reiben, um zu neuen geistigen Horizonten zu gelangen. Hier wird philosophiert, nach dem Sinn des Lebens, nach dem großen Überbau für all das Schöne und all das Leid gesucht. Die Kernaussage, der gemeinsame Nenner sozusagen, der sie vereint und worüber sie sich alle einig sind, ist: Ewig ist ein Scheißwort. Diese Unendlichkeit wird hoffnungslos überschätzt. Vielleicht gibt es andere Ansätze, im Hier und Jetzt glücklich zu werden/zu sein, wenn man das bedenkt. Und so leben diese Jugendlichen für einige Monate, zusammengeschweißt durch ein ähnliches und doch wieder sehr individuelles Schicksal, erleben Höhen und Tiefen (ganz hohe und ganz tiefe), streiten sich, versöhnen sich und sind sich gegenseitig Stütze. Das brauchen sie auch, denn alle sechs sind Rehapatienten nach einer Krebserkrankung, haben das Privileg, in einer Stiftung in geschütztem Rahmen über Monate hinweg zurück ins Leben finden zu können. Doch nicht nur „Ewig“ ist ein Scheißwort, sondern auch „Krebs“ und so müssen sie sich mit Genesung, aber auch mit Rückschlägen auseinandersetzen.

Das Besondere an diesem Buch ist der jugendliche Slang, den Kohm anschlägt und der erstaundlich gut funktioniert, vor allem vor dem Hintergrund, dass Kohm selbst bereits Großvater ist und dieses Debüt seinen Enkeln widmet!
Eine beeindruckende Perle im Jugendbuchsegment – für alle, die bereit sind, sich auch mal aus der Wohlfühlzone herauszubewegen.

Vier von fünf Sternen von mir, da mich der stilistische Kniff, immer wieder den Leser direkt anzusprechen eher jedes Mal aus dem Lesefluss gekickt hat und verhindert hat, dass ich mich komplett in den Sog der Geschichte fallen lassen, von ihm wegtragen lassen konnte.

„Ewig braucht doch keiner“ von Matthias Kohm ist als gebundenes Buch beim Arctis Verlag erschienen. Für mehr Informationen zu Buch und Verlag bitte auf den Verlagsnamen oder das Buchcover klicken.

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