Jasmin Schreiber hat 2020 eines meiner Lieblingsbücher verfasst, den „Marianengraben“ – ein Buch, bei dem es um Freundschaft, Liebe, Nähe, aber auch um Verlust, Trauer und Einsamkeit ging. Selten habe ich etwas Umwerfenderes als dieses Buch verschlungen, das einem beim Lesen die ganze Bandbreite an Emotionen bietet. Wer es noch nicht kennt, hier geht es zu meiner Besprechung. Übermorgen erscheint ihr neuer Roman „Der Mauersegler“ (leider noch nicht zu mir geflattert, daher wird die Rezension dazu noch etwas dauern), aber sie war auch dazwischen fleißig und hat im März so nebenbei mal eben ein Sachbuch herausgebracht: „Über das Leben, das Sterben und den Tod – und was ein Hamster damit zu tun hat“.
Die Autorin, das muss man wissen, ist Biologin, bloggt viel über Literatur und Wissenschaft und arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin. Sie hat, das merkt man schnell, einen relativ sachlichen Bezug zum Thema Sterben, da sie sich als Naturwissenschaftlerin die Fähigkeit angeeignet hat, bestimmte Sachlagen nüchtern zu betrachten und die Emotionen erst einmal außen vor zu lassen. Aber die damit verbundene Gefühlswelt kennt sie eben dennoch – und somit ist Schreiber als Autorin für diese schwierigen Themen eine Idealbesetzung.
„Abschied von Hermine“ lautet der Titel des vorliegenden Bandes und die Hauptperson ist ein Hamster. Am Beispiel von Hermine erläutert Jasmin Schreiber alle Vorgänge, die der Organismus eines Säugetiers so durchwandert. Was genau ist eigentlich das Leben, wie funktioniert die Zellteilung, das Zellwachstum, was passiert, wenn wir altern und warum ist das, trotz aller Nachteile, offensichtlich ein gutes Prinzip, dieses Altern?
Schreiber schafft es mit ihrem flappsig-fröhlich-charmanten Plauderton auch Themen lesbar zu machen, die da lauten: „Sterben – Wie funktioniert das?“, „Fäulnis und Verwesung“, „Trauer – ein chaotisches Gefühl“.
Dieses Buch ist ein Nachschlagewerk mit fundiertem Wissen in Unterhaltungssprache, aber dadurch nicht weniger wertvoll. Wir bewegen uns im gern mit Naserümpfen bedachten Bereich der „Populärwissenschaft“ – aber um Menschen an unbequeme Themen heranzuführen, sind alle Mittel legitim, finde ich. Schreiber siezt die LeserInnen zwar und doch ist der Jargon jugendlich genug, auch junge Menschen anzusprechen. Bei uns im Hause wurde jedenfalls ab 14 in diesem Buch geblättert.
Wer sich also für den Gang der Dinge bezüglich unseres irdischen Daseins interessiert, ran an den Text. Man kann bei Jasmin Schreiber nichts falsch machen.
Gegen Ende des Buches gibt es auch noch Kapitel zu Trauer und dem Umgang mit ihr, in denen tröstliche Hilfestellungen gereicht werden. Der Grundtenor lautet eindeutig: Trauer ist so individuell, man kann keine Bedienungsanleitung dafür schreiben. Klar ist, wer wirklich wieder glücklich werden möchte, muss sich ihr stellen, denn sie fordert viel Raum ein und frisst Energie. Wie jeder einzelne von uns damit umgeht, muss ihm überlassen bleiben und kein anderer sollte sich einmischen, seien die Trauerreaktionen auch noch so merkwürdig. Es gibt nicht den EINEN Weg, sondern unendlich viele Möglichkeiten, mit dem Tod umzugehen.
Dieses Buch schürt weder Ängste vor dem Tod, noch bietet es Lösungen, wie man ihm ausweichen könnte. Es bietet Linderung allein durch die beruhigende Tatsache, dass dieses Thema uns alle betrifft, keinen auslässt – also wahrhaftig alle gleich macht. Es gilt, aus der verbleibenden Lebenszeit das Bestmögliche herauszuholen, statt aus Angst vor dem Tod zu erstarren.
„Abschied von Hermine“ von Jasmin Schreiber ist im März 2021 im Goldmann Verlag als Klappenbroschur erschienen. Mehr Informationen zu Buch und Verlag durch einen Klick auf das Cover oder den Verlagsnamen.
Danke, Ulrike, für den nächtlichen Hinweis 💚
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Das Buch klingt sehr interessant und lesenwert. Danke für Deinen informativen Hinweis, denn sonst hätte ich diese Lektüre vielleicht verpaßt!
Der Link zum Buch führt auf die Webseite des Lübbe-Verlags, da hast Du Dich wohl verlinkt. 😉
Nachfolgend der richtige Link:
https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Abschied-von-Hermine/Jasmin-Schreiber/Goldmann/e577007.rhd
Nachtaktive Grüße von
Ulrike
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