On the road to Halberstadt

Wir befinden uns Anfang der 1990er in einer Kleinstadt in Süddeutschland und Mischa ist 13, als sein Vater ganz plötzlich stirbt. Der Junge ist viel allein, weil seine Mutter nun noch mehr arbeiten muss als zuvor, damit sie über die Runden kommen. Das Geld ist knapp, aber das war es auch schon, als der Vater noch gelebt hat. Der war zwar ein ganz lieber Kerl, gleichzeitig war er aber auch spielsüchtig und immer wieder kam sogar der Gerichtsvollzieher zu ihnen nach Hause.

Seit dem Tod des Vaters leben die beiden in einer Personal-Wohnung des Krankenhauses, in dem die Mutter „auf intensiv“ arbeitet. Das gesamte Krankenhaus ist nun sein Zuhause, alle kennen ihn und vor der Schule sitzt er oft am Eingang, wo die Rettungswagen ankommen, macht Notizen über die Patienten und überprüft nach der Schule, wer von ihnen noch lebt …

Dieses Krankenhaus ist ein Ort, wo Leute geboren und geheilt werden, aber wo sie, das weiß Mischa natürlich, auch sterben. Ein ziemlich beeindruckender und prägender Rahmen für einen melancholischen, seelisch ziemlich verwundeten Jungen und so verwundert es auch nicht allzu sehr, als er an seinem 13. Geburtstag etwas Seltsames erlebt:
Seine Mutter muss arbeiten, sie hat Spätschicht und Mischa stromert allein durch die Flure der Klinik und geht gerade an einem der Münztelefone in der Eingangshalle vorbei, als dieses klingelt. Das hat es noch nie zuvor, also geht Mischa ran. Es ist die alte Rosa von Zimmer 406. Und die ist tot. Das weiß er ganz sicher.

Und sie bleibt nicht die einzige Tote, die Mischa anruft … Sie sagen kurz, was ihnen auf dem Herzen liegt, und schon ist der Spuk vorbei. Natürlich erzählt Mischa niemandem davon, er will ja nicht für verrückt gehalten werden. Allerwichtigster Punkt ist aber: „wenn ich meine Aufgaben gut erledige und darüber schweige, so dachte ich, werde ich irgendwann belohnt. Und dann ruft mein Vater an.“

Spätestens in diesem Moment macht es Klick und man weiß, das hier ist nicht etwa eine esoterisch angehauchte Geschichte, sondern es ist der clevere literarische Kniff des Autors, die Not des Jungen angesichts der großen Trauer um den Vater und seinen großen Wunsch, noch einmal mit ihm reden zu können, greifbar zu machen.

Aber auch, wenn in dem Buch Verlust und Traurigkeit vorkommen, ist es weder deprimierend noch rührselig – es rufen auch beileibe nicht ständig Tote an, das ist nur ein ganz kleiner Teil des Ganzen! Die Geschichte ist ungemein tröstlich, liebevoll und geerdet. Als der Schüleraustausch mit Frankreich die 17-jährige Sola in das Leben von Mischa und seiner Mutter spült, kommt Leben in die bisher so stille Bude – beide brauchen diese mutige, lebensbejahende, vor Selbstbewusstsein strotzende junge Frau ganz dringend. Für Mischa wird sie zu einer Seelenverwandten, einer Verbündeten, die tiefsinnig genug ist, ihn zu verstehen. Als sie ihn zu einem kurzen, aber intensiven Ausflug mit dem Auto nach Halberstadt überredet, beginnt für Mischa das größte Abenteuer seines Lebens und man ahnt, dass diese wenigen Tage mit Sola vieles, wenn nicht sogar alles für ihn verändern werden …

Michael Ebert hat ganz aufmerksam und voller Freude seine Figuren (auch die Nebenfiguren) gezeichnet und packt hier neben vielen Eckpunkten aus seiner eigenen Biografie vor allem ganz viel Warmherzigkeit, Liebe, Lebensweisheit hinein und schafft es gleichzeitig durch die vielen skurrilen kleine Begebenheiten, dem Roman ganz viel Leichtigkeit zu verpassen. Ein ganz starkes Romandebüt!

„Nicht von dieser Welt“ von Michael Ebert ist als gebundenes Buch am 13. September 2023 im Penguin Verlag erschienen.

Mehr Informationen zu diesem Buch durch Klick auf den Verlagsnamen oder auf das Bild.

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