In Mr. Loverman habe ich mich von den ersten Sätzen an total verknallt. Zuerst allerdings in das einen direkt anspringende Cover! Der bunte Hut auf dem frischen Grün zog magisch an. Und es zeigte sich:

Bernadine Evaristo hat einen beeidruckend leichtfüßigen, sonnig daherkommenden „Sommerroman“ gezaubert.

Sommerroman, weil ich ihn innerhalb zweier Tage im Liegestuhl bei bestem Wetter und wo ich sonst noch war inhaliert habe. Mit Sonne im Herzen und von oben, wenn auch im Schatten liegend. 😉Ein Pageturner mit Tiefe, Charme, Witz und stilistisch großartig gearbeitet.

Eine solche erzählerische Fluffigkeit wie Evaristo sie hier entwickelt ist mir selten untergekommen. Was sicher auch an der grandiosen Übersetzung liegt, die Barrys, also Mr. Lovermans Sprache authentisch einfängt.

Ihre Beschreibungen bringen das Dahinter, die Gefühle, die Erfahrungen auf den Punkt wieder. Für dieses Kopfkino braucht sie nicht viele Worte sie verknüpft beispielsweise einfach die Einrichtung des Wohnzimmers von Carmel und Barry in Hackney und setzt diesem die Gefühle und Gedanken der Einrichtterin und ihres langjährigen Gemahls dazu. Schon bekommen die LeserInnen einen tiefen Einblick in ihre Charaktere.

Alte Erinnerungen zeigen den langen Weg dieses Renterehepaars, das zwar in Hackney wohnt, ursprünglich aber aus der Karibik stammt, daher Barrys Verehrung des Rums, nicht aber die für Shakespeare. Morris, die Liebe seines Lebens ist ein ebensolcher Dandy wie Barry und er hat das Abwarten und die Heimlichtuereien satt, alle Kinder sind aus dem Haus, Barry soll mit ihm zusammenziehen. Doch Barry zweifelt, hat Ängste, die er zuerst einmal analysieren muss. Das sorgt für Ärger.

Carmels Geschichte, Barrys ultrareligiöse Ehefrau, bleibt lange ein wenig blass, dreht dann aber auf und man versteht auch ihre Entwicklung. Ich begann sie tatsächlich zu mögen. Dieses vielschichtige Buch hat mich etwas über das Leben gelehrt. Was, das behalte ich für mich, ich denke es bietet genung Varianten für alle LeserInnen etwas für sich daraus mitzunehmen und sei es nur sehr sehr viel Lebensfreude dank des charmanten Erzählstils.

So bedrückend die Erinnerungen und Geschichten sind, behält doch jede Figur ihre Würde, und dank Barrys trockenem Humor auch den aus der Karibik importierten Sonnenschein im wettermäßig nicht ganz so gesegneten London. Rassismus, überkommene Moralvorstellungen, Religion, Homosexualität, Coming-Out, Elternschaft, Depression, Geschichte, lanjährige tiefe Liebe und Sätze zum Niederknien serviert einem Evaristo quasi en passant im Dauerfeuer. Mr. Loverman berührt, ergreift, macht wütend, bringt einem zum Lachen und mich auch zum Staunen, wie großartig eine Autorin erzählen kann.

28 Dodos für diese Regalperle, die ich leider aus der Stabi mitgenommen habe, statt sie mir gleich zu kaufen. Wie gesagt, das perfekte Liegestuhlbuch. Ich empfehle dazu einen Mojito. Als einleitenden Musiktipp: Uptown Funk.

Mr. Loverman von Bernadine Evaristo ist im Februar 2023 bei Tropen als Hardcover erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.