Lizzie Pook hat bislang vor allem als Reisejournalistin gearbeitet und in diesem Rahmen in Zeitungen und Magazinen im englischsprachigen Raum publiziert. Der vorliegende Roman „Moonlight und die Tochter des Perlenfischers“ ist ihr Debüt.
Schon seit einigen Jahren gibt es immer wieder Publikationen, die sich mit Großbritanniens Rolle im Kolonialismus auseinandersetzen – dies tut auch Lizzie Pook, aber in ganz sanfter, romanhafter Weise.
Wir befinden uns Ende des 19. Jahrhunderts in Westaustralien in einem Ort an der Küste. Sein Name lautet Bannin Bay, aber diesen kann man lange auf der Landkarte suchen – es gibt ihn nicht. Dennoch hat sich die Autorin geografisch an vorhandenen Begebenheiten orientiert, sich vorort inspirieren lassen und versucht, Reales mit Fiktivem zu verknüpfen.
Familie Brightwell ist aus Großbritannien ausgewandert nach Australien, um dort ein neues Leben zu beginnen, ohne die Bürden und Belastungen des alten. Doch so rosig, wie die Aussichten waren, im fernen Australien bei wunderbarstem Sonnenschein und direkt am Meer einen Neuanfang zu wagen, ist die Wirklichkeit vorort nicht: Keiner empfängt sie mit offenen Armen, als sie von Bord gehen, das erste, was passiert, ist, dass sich ein Schwall von Flüssigkeit mit Fischresten aus einem großen Eimer über sie ergießt, als Eliza mit ihrer Mutter von Bord des großen Schiffes geht.
Dennoch, zehn harte Jahre später hat Elizas Vater geschafft, er hat sich mit seinem Bruder zusammen ein Unternehmen aufgebaut, ist Besitzer einer Perlenfischerei geworden. Dabei taucht er nicht selbst, sondern ist als Kapitän mit an Bord, wenn sein Schiff ausläuft mit seinen Männern, allesamt Einheimische mit extremst guten Kenntnissen der Flachwasserbuchten und auch des weiteren Meeres in dieser Ecke, die für ihn als Perlentaucher fungieren. Ein extrem gefährlicher Beruf, da die Taucher über keinerlei moderne Gerätschaften verfügen, sondern ohne Hilfsmittel nach Muscheln suchen und weitgehend ungeschützt sind gegenüber den Raubtieren des Meeres.
Die Mutter der Familie ist mittlerweile verstorben, der Bruder zwar ein eigentlich guter Kerl, aber alkoholabhängig und jeglicher Art von Drogen zugetan. Eliza, mittlerweile eine junge Frau, ist sehr auf ihren Vater fixiert und wartet sehnsüchtig auf dessen Rückkehr von der letzten Tauchexkursion – neun Wochen waren die Männer auf See, doch heute sollen sie zurückkehren. Diesmal dauert es ungewöhnlich lang, bis das Boot kommt, Stunden vergehen, viele Boote kehren zurück, doch nicht das, auf das Eliza wartet. Sie wird immer unruhiger, aber schließlich erkennt sie am Horizont doch das Boot ihres Vaters – aber als es näher kommt, sieht sie, dass die Fahne auf halbmast hängt. Als ihr Bruder von Bord geht und ihr entgegenwankt, bewahrheiten sich ihre schlimmsten Befürchtungen, denn ihr Bruder teilt ihr mit, dass der Vater fort ist.
Was heißt ‚fort‘?, schießt es Eliza durch den Kopf. Ist er tot, über Bord gegangen, ermordet, verletzt worden? Doch egal, wen sie befragt, niemand weiß Bescheid. Der alte Mann sei plötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen, kein Blut zu finden, keine Hilferufe zu hören gewesen. Es ist ein Mysterium. Und während Elizas Bruder Thomas abhaut, weil er sich angeblich an einem anderen Ort um die laufende Geschäfte kümmern muss, was Eliza sehr dubios findet, ist sie selbst von Trauer und Ungläubigkeit übermannt. Nach einer ersten Schockstarre mobilisiert sie all ihre Kräfte, die sie auch braucht, um Nachforschungen über ihren Vater anzustellen. Sie startet alleine, doch merkt schnell, dass sie das nicht schaffen wird. Eine gute Freundin ist eine große Hilfe, doch Fahrt nimmt die Suche erst dann auf, als sie auf einen jungen Deutschen trifft, der ihr als Mann viele Türen öffnen und Orte auskundschaften kann, zu denen sie als alleinstehende, junge Frau keinen Zutritt hat. Sie erkennt, wie sehr in Bannin Bay Intrigen geschmiedet werden, Vetternwirtschaft die ehrlichen Vorgehensweisen untergraben und dass sie tiefer im Schlamassel sitzt, als sie sich je hat vorstellen können.
Auf der Suche nach ihrem Vater begleiten wir sie als Leser*innen und bangen und hoffen mit ihr …
Dieses Buch ist eine schnelle Lektüre, unterhaltsam und mit dem Mehrwert, gut recherchierte Fakten über die Zustände im Perlentauchermetier des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu erfahren. Zwar ist diese Geschichte fiktiv und auch der Ort, nicht aber die Grundlagen, die bloßen Fakten über die Zustände und die rohen Umgangsformen, die damals herrschten. Zudem schafft es die Autorin, durch kraftvolle Beschreibungen, die Landschaften vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.
Das Buch hat bei der Figurenentwicklung ein paar Schwächen, denn leider bleiben die Akteure schablonenartig und hölzern, erhalten keine Tiefe. Unrealistische Plotentwicklungen auf der romantischen Seite, die absolut unnötig waren, kommen als Kritikpunkt noch hinzu.
Aber wer die klassische Reiselektüre für den Zug, für den Strand oder leichten Lesespaß für das gemütliche Wochenende vor dem offenen Kamin sucht, der wird hiermit seine Freude haben. Wer für die ältere Tante, die eher selten liest, oder für die freundliche Nachbarin, die immer mal aushilft, eine nette Kleinigkeit sucht, liegt mit diesem Buch ebenfalls richtig. Nichts, für das man sich schämen muss, aber auch keine Lektüre, die lange nachhallt. Klassisches Lesefutter mit wirklich wunderschönem Cover – muss ja auch mal gesagt werden ;-)!
„Moonlight und die Tochter des Perlenfischers“ ist am 7. September 2022 als Klappenbroschur im Diana-Verlag erschienen. Für mehr Infos zum Buch per Doppelklick auf das im Beitrag angezeigte Cover oder auf der Verlagsseite.