Unabhängig voneinander haben die beiden üblichen Verdächtigen Thursdaynext und Bri einen Roman gelesen, dessen Cover sie dazu verleitet und nicht enttäuscht hat. Ihre zwar getrennt erlesenen Eindrücke findet ihr nun hier zusammen geworfen – denn sie sind sich einig: Der Roadtrip, den der Bus und seine Insassen hinter sich bringen darf nicht unbeachtet bleiben.
Der letzte Bus nach Coffeeville hat eine lange Reise hinter sich. Quer durch Zeit, Raum, US – politische und gesellschaftliche Strömungen finden sich hier alte Freunde wieder und nein sie sind nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit – auch wenn eine von ihnen gerade dabei ist ihr Hirn zurückzulassen – sie geniessen das Leben, den Rückblick darauf und (ihre) die Gegenwart.
Gene, Nancy und Bob kennen sich seit Ewigkeiten. Gemeinsam waren sie schon einmal miteinander unterwegs. Im Bus und mit politischem Hintergrund. Nun sind viele Jahre vergangen und Gene, der bereits pensionierter Arzt ist, muss das Versprechen, dass er seiner damaligen Liebe Nancy gegeben hatte, einlösen, ihr zu Hilfe zu eilen, wenn sie tatsächlich an Alzheimer erkranken wird. Und so beginnt ein ungewöhnliches Roadmovie, neue Passagiere inbegriffen.
Auch wenn die beiden üblichen Verdächtigen sich im Kern einig sind, Nuancen in der Wahrnehmung möchten wir euch nicht vorenthalten. So fällt Thursdaynexts Eindruck absolut positiv aus:
J. Paul Henderson hat sich mitsamt seinen Protagonisten in mein Herz geschrieben. Er ist ein Dampfplauderer, der lässig höchst skurriles einstreut, und das so, dass es sich nahtlos in die Geschichte einfügt. Darin ähnelt er stark dem verehrten John Irving, der das Leben in all seinen Facetten, Unwahrscheinlichkeiten und Unvorhersehbarkeiten ebenso liebt wie fürchtet. Noch fehlt Henderson stilistisch und sprachlich der letzte Schliff. Der Meister (Irving) ist eben meisterlich, aber Henderson ist auf einem sehr, sehr guten Weg und im nächsten Buch werde ich ihn gespannt wieder begleiten wollen.
Wer sich aktuell auf diese Reise einlässt, findet zuhauf kleine Weisheiten, viel Witz, Charme und Augenzwinkern. Es ist alles da, man kann es finden, Offenheit vorausgesetzt. Für mich war es beste amüsante Unterhaltung, die bereicherte und belebte und immer wieder sachte, doch beharrlich an der Oberfläche kratzte und die Schrecken darunter entzauberte.
Fabulierfreude, liebenswerte Charaktere, USA Innenansichten und zahlreiche Nebenhandlungen stehen für Lesespaß und puren Lesegenuß. Einen Debut Dodo und einen für das Cover, das endlich einmal hielt was ich mir davon versprach 😉
Bri war ein klein wenig strenger: Auch ich empfand die Reise mit dem Bus durch Zeit und Raum als grundsätzlich spannend und angenehm, bisweilen sehr skurril und deshalb schön. Ernste Themen werden nicht bierernst angesprochen aber auch nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, das muss man erst einmal können. Ähnliches findet man bei Christoph Poschenrieders Mauersegler. Doch während Poschenrieder mit Stil und Sprache glänzt, hat Henderson hier noch ein wenig aufzuholen. Zu Beginn haben den Lesefluß die Zeitsprünge, die der Autor hinlegte etwas verlangsamt, für ein Debüt wie dieses allerdings ist das das gewisse Jammern auf hohem Niveau. Gestört hat es mich allerdings trotzdem und deshalb war ich nicht ganz so überschwänglich.
Abholen konnte mich Henderson dennoch – seine Figuren sind lebendig und glaubhaft. Die Geschichten zwischen ihnen warm, menschlich und bitter-süß. Das Leben wie es ist: nicht ohne Schattenseiten, aber eben auch mit viel Sonne. Deshalb auch von mir eine unbedingte Reiseempfehlung – löst das Ticket für den Bus nach Coffeville beim Buchhändler eures Vertrauens am besten schnell, ihr wisst, es ist der letzte …
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe: 23. März 2016
- Verlag : Diogenes
- ISBN: 978-3-257-06959-4
- Leinen, gebunden: 528 Seiten