“ .. Was ist Literatur … Was ist das Privileg, das wir bestimmten Wortkombinationen zugestehen, selbst wenn sie sich exakt derselben Wörter bedienen, mit denen wir unser Brot kaufen oder unser Geld zählen? Wörter sind unsere Sklaven: Wir benutzen sie, um uns die Pantoffeln bringen zu lassen oder um die große Pyramide von Gizeh zu bauen: Sie dedürfen der Syntax, um die Ordnung in der Welt manifest zu machen, um aus Steinen Bögen zu formen und aus Bögen Aquädukte. …“
„Der beste Roman des Jahres“ wird gesucht. Und Elysia – eine Firma, die sich aufgrund ihrer Genmanipulationen im Agrarbereich nicht allzu höchster Beliebheit erfreut – lobt den nach der Firma benannten Preis aus.
Die handverlesene Jury macht sich an die ehrenvolle Aufgabe, aus 200 eingereichten Manuskripten letztendlich die sechs besten Romane des Jahres gegeneinander abzuwägen und einen gemeinsamen Sieger zu küren.
Doch wie gelingt es einem Autor gerade sein Buch zumindest auf die Shortlist der Jury zu hieven? Wege gibt es derer einige, und Edward St. Aubyn kennt sie alle!
Hier schreibt ein Autor über das, was er aus nächster Nähe und bestens kennt:
Andere Autoren, Jurymitglieder, Befindlichkeiten der Buchbranche per se und die englische upper-class.
Die Jury:
Malcolm Craig, frischbestellter und gebauchpinselter Juryvorsitzender fragt sich, weshalb der Literaturpreis auf den „imperialen Aschehaufen des Commonwealth“ beschränkt bleibt und welchen Bekanntheitsgrad er mit der Übernahme des Juryvorsitzes erreichen kann, um seine Karriere ein wenig voranzutreiben. Schließlich hat er eine Sekretärin zu beschäftigen.
Jo Cross, bekannte Journalistin und Medienpersönlichkeit, ist bekannt für ihre vehementen Meinungsäußerungen. RELEVANZ ist das, was sie von einem Buch erwartet.
Oxbridge Akademikerin Vanessa Shaw – Expertin – ist vor allem interessiert an „gut geschriebenem, an besonders gut geschriebenem!“.
Penny Feathers, Schrifstellerin (ausgesucht dämlicher Thriller), ehemals im Auswärtigen Amt tätig, ist nun nach eigener Aussage „Mitglied in einem Team von dem in diesem Jahr das Wohl der englischen Literatur abhängt.“
Tobias Benedict, Schauspieler, begeisterter Leser seit früher Kindheit, „wenn auch nicht körperlich, so doch im Geiste anwesend“. Sein Herausstellungsmerkmal: Harmoniestiftend gutaussehend.
Man sieht: Schon alleine die Jury hat es in sich. Die Romane selbst und was aus ihnen (gemacht) wird – jeder hat so seine eigene Lesart – ist einerseits unglaublich erheiternd und klug auf die Spitze getrieben, andererseits jedoch fast schon gruselig, da zu befürchten steht, dass die beschriebenen Vorgänge nicht nur aus der Luft gegriffen sind.
Ob Edward St. Aubyn in diesem Roman seine eigenen Erfahrungen der eigenen Nominierung zum Man Booker Prize darin verarbeitet hat, wissen wir zwar nicht, es ist aber nicht ganz abwegig. Hat er doch in seinen früheren Romanen bereits tief in die Erfahrungskiste seines Lebens gegriffen, um satirisch – beißend bis ätzend ein Sittengemälde der sogenannten englischen upper-class zu zeichnen. Und das immer getreu dem Motto:
„… wichtig den Blick nicht zu niedrig anzusetzen, damit man am Ende nicht in einem Labyrinth von Tunneln knietief durch die Scheiße watete. …“
Wendet man die aufgezählten Jury-Kriterien auf St. Aubyns „Der beste Roman des Jahres“ an, so erfüllt er auf jeden Fall die gewünschte RELEVANZ des Themas und die eingeforderte besonders gut umgesetzte Schreibe. Darüber hinaus strapaziert er sämtliche Lachmuskeln und lenkt damit und durch seine überaus witzigen Ideen und Wendungen wohltuend sowohl von der Relevanz als auch von der guten Schreibe ab. Denn eines kann er wirklich: Schreiben. Und das in den unterschiedlichsten Genres …
Ausgefeilt humorig, umwerfend detailreich und von Beginn an zum Schlapplachen für ironie- und satiregeneigte Leser, welche tatsächlich „besonders gut geschriebenes“ zu schätzen wissen, so wie die Gemeinschaftsrezensenten Thursdaynext und Bri.
BuchDetails
- Aktuelle Ausgabe: 01. September 2014
- Verlag: Piper
- ISBN: 978-3-492-05435-5
- Laminierter Pappband: 256 Seiten
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