Vor mittlerweile vier Jahren, nämlich im September 2018, haben wir in der auf Facebook vom Diogenes Verlag initiierten Backlistlesen-Gruppe, deren Name auf den schönen von Constanze Matthes aka Zeichen&Zeiten ins Leben gerufenen Hashtag #backlistlesen zurückgeht, die erste gemeinsame Lesrunde mit anschließender Diskussion eingeläutet. Gelesen haben wir damals #benedictwellsspinner und in Wochenabständen gemeinsam über unsere Eindrücke gesprochen. Seitdem haben wir viele Autor:innen gemeinsam (neu) entdeckt. Ich selbst habe die Freude das Ganze zu moderieren und dabei viel gelernt. Zuletzt lasen wir in der nun mehr 29ten Leserunde mit Hartmut Lange einen Autor, der meiner Meinung nach sehr unterschätzt wird. Ich hatte die Novellen aus seinem Band „Das Haus in der Dorotheenstraße“ vor Jahren schon einmal gelesen, jetzt kamen sie mir eindringlicher vor als in der Erinnerung.
Hartmut Langes Novellen können getrost als Paradebeispielr dieser so komplizierten literarischen Gattung gelten. Der Aufbau einer Novelle ist klar umrissen, aber wenn man eine verfassen möchte, ist das sicher nicht einfach. Es gilt vieles zu beachten und deshalb erscheinen manche Novellen auch so artifiziell. Langes Novellen hingegen beginnen immer sehr real, zumindest die aus der Sammlung mit dem Titel „Das Haus in der Dorotheenstraße“. Es scheint fast so, als schaue der Autor einfach sehr genau hin, wenn er durch die Nachbarschaft geht und verwandelt dann die Realität – seine wie auch die anderer Leute – in Literatur. Er selbst sagte einmal, dass ihn seine Umgebung immerhin stark inspiriere. Und das ist eine wahre Kunst.Vor allem, wenn die Novellen extrem kurz sind – wie es bei zweien der fünf im Buch versammelten der Fall ist.
Gemein haben alle fünf Novellen, dass man als Leser:in nie genau weiß, was nun Realtität, Wunsch, Traum oder Vorstellung ist. Dadurch wird man direkt in die Geschichten hineingezogen, zieht eigene Schlüsse, die vielleicht aufgelöst werden. Doch oft lässt Lange viele Schlüsse zu und lässt die Erzählungen offen enden. Das macht die Geschichten eindrücklich und nachhaltig. Die Sicht auf die Geschehnisse passiert von außen und so hat man es als Leser:in leicht, sich einzufinden, die Ereignisse quasi live mitzuerleben. Und immer schwingt so eine gewisse Ambivalenz zwischen Geborgenheit/Nähe und Einsamkeit/Geheimnis mit. Spannend.
Schnell sind Langes Novellen zwar gelesen, doch mir sind sie nachhaltig im Gedächtnis geblieben und haben mir ein zum nun doch langsam einsetzenden Herbst passendes Leseerlebnis beschert.
Das Haus in der Dorotheenstraße von Hartmut Lange ist als Taschenbuch im Diogenes Verlag erschienen. Für mehr Infos zum Buch über Doppelklick auf das im Beitrag enthaltene Cover oder direkt auf der Verlagsseite.
Liebe Constanze, das ist aber doch klar, dass man das erwähnt 😉 – der neue Band liegt hier auch schon bereit. Bin auch sehr gespannt. Er ist ausgesprochen gut, schwer in Worte zu fassen … deshalb auch so kurz. Liebe Grüße zurück, Bri
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Vielen Dank für die freundliche Erwähnung. Ich habe das Vergnügen, Lange erst einmal mit seinem Band „Am Osloer Fjord oder Der Fremde“ kennenlernen. Das Buch liegt bereit und passt perfekt zu meiner kommenden Oslo-Reise. Aber dieses Buch hier werde ich mir mal merken, Du machst mich neugierig. Liebe Grüße nach Berlin
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