Berliner Stadtblatt Nr. 23

JohnQube @ pixabay

Der Vormittag durchlebt bereits seine Wechseljahre, als Rolf Weser mit seinem geschätzten white cream coffee naturell endlich den Startknopf seines Towers betätigt.

Immerhin, es sieht nicht gut aus. Dazu muß er lediglich aus dem Fenster blicken und das muntere Frohlocken der Vögel betrachten. Sicherlich schon wieder über 25°C. Und keine Wolke zu sehen.

Das perfekte Biergartenwetter! – Für alle Anderen.

Er hat es sich über die Jahre zur Gewohnheit gemacht, Biergärten nur bei durchwachsenem Wetter aufzusuchen. Und je durchwachsener und nasser, um so besser. Denn dann hat er den ganzen Biergarten für sich und kann ungestört seinen Gedanken an ein vergangenes Berlin nachhängen.

Denn nach den Wendejahren, als Berlin wieder zu wachsen begann und wuchs und wuchs und stets mehr Leute aus allen Frauenländer anzog, wurde dies Rolf bald zu viel und er begann nach Nischen und Schlupflöchern zu suchen, in welche sich seine geliebte Berliner Ruhe zurückgezogen hatte, um den Sturm der Neuerungen zu überdauern.

Und was er auch versucht hatte, stets war er in verregneten Biergärten gelandet. Und zwar allein.

Berlin aber wuchs weiter. Alles schoss wie Pilze bei nasswarmen Wetter aus dem Boden: Hotels und Lebensmittelmärkte. Kinowürfel und Tankstellen. Wohn- und Geschäftsblocks. Einige Spießer und Biergärten.

Einkaufscenter und Bürotürme. Landesvertetungen und Ministerien. Arztzentren, Forschungsinstitute, Hotels und ein weiterer Biergarten.

Und dann kamen jene in Scharen, die nur mit der Nase rümpften und sich beklagten. Der Dreck, der Müll, die wilden Grünstreifen. Die Clubs, das Nachtleben, die verhaßten Spätis.

Rolf kann sie nicht aufhalten. Rolf kann nur ausweichen. In verregnete Biergärten.

Und deswegen ist es doch so ungeheuer wichtig, daß er die Wetteraussichten für die einzelnen Stadtbezirke jeden Tag auf’s Neue studiert.

Denn mittlerweile hat die Stadt derartige Ausmaße angenommen, daß Stadtklimatologen bis zu sechs unterschiedliche Wetterzonen über das gesamte Stadtbild verteilt ausmachen können.

Und genau darin liegt Rolfs Hoffnung. Ein Eckchen Berlin zu finden, das wider dem Rest der Stadt mit Wolken und Regen rechnen muß.

Schließlich wird er fündig, denn für den Tegler Forst sehen die Aussichten vergleichweise schlecht aus.

Und so macht sich Rolf in Köpenick bei sonnigen 27°C auf den Weg quer durch Berlin, der Hoffnung auf Regen anheim gefallen.

Aber mehr weiß ich auch nicht.

 

 

 

Ein Gedanke zu “Berliner Stadtblatt Nr. 23

  1. Den recht rohen Zustand des Textes zur Veröffentlichung bitte ich vielmals zu entschuldigen. Ich stand doch gehörig unter Zeitdruck. Das gute Stück wurde aber mittlerweile überarbeitet.

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