Kühn hat Ärger

Hauptkommissar Kühn, der bereits in Kühn hat zu tun“ eine mir neue und sehr sympathische schriftstellerische Seite Jan Weilers aufzeigte ist zurück aus der burnoutbedingten Reha. Und wieder ist Jan Weilers nachdenklicher Held Kühn der Auslöser eines schlafraubenden Pageturners.

Das Bezaubernde und Charmante an Kühn sind seine Gedanken an denen uns Weiler mit einer Leichtigkeit, die man bei den meisten deutschen Autoren sonst sehr vermisst, teilhaben lässt. Allein schon für den geschilderten Sexualverkehr, lohnt es sich diesen fluffigen Krimi zu lesen. Nicht dass hier exzessive Sexszenen geschildert werden, nein, man darf Kühn beim Denken erleben, was über die Qualität des Verkehrs schon genug aussagt. Ich hab mich weggeschmissen. Dieser trockene, subtile, typisch Weilersche Humor ist grandios. Humor bedeutet allerdings nicht, dass es in Kühn hat Ärger seicht zugeht. Im Gegenteil. Man kann hier Aktuelles und Hochpolitisches lesen. Handfesten Ärger. Denn Kühn ermittelt im Bildungsprekariat. Nicht jenem der arbeitslosen Akademiker, die eine ungünstige Studienauswahl trafen wie -irgendwas mit Medien- sondern jenem Unterschichtprekariat, das mehr von den Medien geprägt und geformt wurde als von Lehrern und dessen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit Hartz 4 und Kleinkriminalität beeinhaltet. Weiler zeichnet ein nüchternes Bild vom Leben in Deutschland. Die Klassengesellschaft ist längst wieder da, die Mittelschicht kämpft noch, die Rechten sind auf dem Vormarsch und Demokratie und Gerechtigkeit haben sich völlig dem neoliberalistischen Kapitalismus untergeordnet. Geld regiert die Welt. Und wie immer macht es nicht glücklich, beruhigt aber ungemein und löst Probleme.

So wären auch Kühns und die seiner Nachbarn aus dem neugebauten Weberviertel, der Schlafstadt vor München mit Geld zu lösen, wenn denn welches da wäre. Die schmucken Neubauten sind auf verseuchtem Gelände und viel Schulden erbaut.

 

Nun gibt es all diese Probleme, doch nebenbei und hier setzt der Autor seinen Fokus. gibt es das Leben, das Kühns und das der anderen. Das Leben allgemein und es bietet allem zum Trotz noch immer Schönheit und sei es nur, weil es da ist.

Weiler hat ein Händchen dafür, Leben sachlich und dabei facettiert und freundlich, ohne zu werten, zu beschreiben. Er erzählt, von verloren gegangener Kommunikation, verlorenenen Kindern, saturiertem Geldadel, einer Führungskräfteschulung der Polizei und immer wieder vom seltsamen Verhalten des Homo Sapiens.

Nun bin ich ja keine ausgesprochene Krimileserin. Kühn hat Ärger wiederum ist trotz des gut konstruierten Krminalfalls kein ausgesprochner Krimi und dies im besten Sinne. Dieses Buch das ich eher der Belletristik zuordnen würde lebt wie alle Krimis die ich schätze und wie unschwer am Titel zu errraten ist, von seiner Hauptperson. Diesem Menschen mit seinen Zweifeln seiner aufrechten Art und seinem Sinn für Gerechtigkeit, einem Beamten der sich für die Allgemeinheit, für Menschlichkeit und Recht einsetzt. Der die Chose durchschaut soweit ihm das möglich ist und sich trotz aller Zweifel und Widrigkeiten für die Gesellschaft einsetzt, immer getrieben von der Hoffnung und dem Glauben an das Gute. Einer von uns, einer der vielen, der versucht seine Kinder zu anständigen Menschen zu erziehen, sie glücklich zu sehen und seine Frau liebt. Einer der lebt und trotz aller Abgebrühtheit kein Zyniker geworden ist, sich Gedanken macht und das kleine Glück im Privaten hegt, oder zumindest versucht es zu erhalten und zu pflegen.

Jan Weiler, den ich auch in seinen Pubertier Berichten sehr schätze ist mit seinem zweiten Band um HK Kühn wieder geglückt, was bereits im ersten Buch gelang. Intelligent und locker zu unterhalten und dabei Themen aus Wirtschaft, Gesellschaft und ja, auch der Philosohie im weitesten Sinne, zu streifen. Dabei jammert er nicht, ohne allzu direkt zu werden, zeichnet er ein Bild unserer Zeit und überlässt es dem Leser sich Gedanken zu machen. Serviert wird das spannend, witzig und mit einer herrlich komischen Ernsthaftigkeit.

Angeblich war es der Dalai Lama, der meinte das Leben sei nur mit Humor zu meistern oder gar nicht, Winston Churchill befand, er sähe keinen Sinn darin es nicht mit Humor zu leben. Jan Weiler schreibt in dieser Grundannahme und das versiert subtil und köstlich.

Buchdetails

  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : März 2018
  • Verlag : Piper
  • ISBN: 9783492057578
  • Fester Einband 400 Seiten

2 Gedanken zu “Kühn hat Ärger

  1. Ja, Weiler lässt all dies so beiläufig einfließen, dass es wirklich eine Kunst ist. Mit leichter Feder zu schreiben und womöglich auch noch unterhaltsam scheint allerdings nicht Feuilleton würdig zu sein. Schade, da könnten wir uns ein Stück bei den Amis abschauen, die sind da viel lockerer. Liebe Grüße

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  2. Mir hat der neue Kühn-Krimi mit seinen bemerkenswert sozialkritischen Ausführungen und einfühlsamen Psychogrammen ebenfalls sehr gut gefallen.

    Die sensible Aufmerksamkeit und scharfsinnige Präzision, die Jan Weiler der Welt und ihren Details sowie den Menschen und ihren Gegebenheiten entgegenbringt, eröffnet dem Leser vermittels der mitfühlbaren Zwischenmenschlichkeit und sozialen Bedingtheit der Figuren differenzierte und vielschichtige Perspektiven auf das komplexe Verhältnis von Schuld und Unschuld, Einflußreichtum und Gerechtigkeit.

    Ich habe allerdings nicht das Buch gelesen, sondern dem Hörbuch und Jan Weilers stimmiger Vorlesung gelauscht. Falls Du gucken magst, folgt hier der Linselink zu meiner Rezension:
    https://leselebenszeichen.wordpress.com/2018/05/15/kuehn-hat-aerger/

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