Hübsch wie eh und je

Ildikó von Kürthy hat das Talent, jede Lebenssituation in passende Worte zu gießen. Seit „Mondscheintarif“ schreibt Frau von Kürthy Bücher, deren Inhalte immer mehr oder weniger genau ihre eigene aktuelle Lebensphase widerspiegeln. Natürlich schreibt sie nicht (nur) autobiografisch, aber ihre Protagonistinnen sind grundsätzlich im selben Lebensabschnitt wie sie selbst.

Jetzt schreibt Ildikó von Kürthy über Cora Hübsch, die fast jede Frau um die 50 wohl kennt, denn sie war schon die Hauptfigur in „Mondscheintarif“, das Buch, das 1999 herauskam und an das „Eine halbe Ewigkeit“ nun anknüpft. Passend dazu hat der Wunderlich Verlag „Mondscheintarif“ ein neues Cover verpasst, das stilmäßig an das neue Buch angelehnt ist und so auch optisch eine schöne Einheit zusammen bildet.

Cora ist älter geworden, wie auch Ildikó von Kürthy und wir, die Leser*innen, nämlich fast 55, sie hat drei Kinder, ist verheiratet, arbeitet als freiberufliche Fotografin und wird gerade akut familiär nicht mehr gebraucht. Der jüngste Sohn wird vom Ehemann nach England ins Internat gebracht, die anderen Geschwister sind schon ausgeflogen und so bricht das Elend des „Empty-nest-syndroms“ über Cora herein, als sie im Regen zum Altpapiercontainer läuft. Etliche nicht ganz glaubwürdige, aber leicht zu verzeihende Zufälle später, ist Cora im Haus einer alten Bekannten gelandet, wo sie ins trubelige Alltagsleben integriert wird, als wäre sie schon immer dagewesen. Irgendwie kennen sich alle durch (wieder nicht glaubwürdige, aber immernoch leicht zu verzeihende) Zufälle über hundert Ecken doch von neulich, früher oder wie auch immer – man ist sich also ein wenig vertraut. Und es kommt, wie es kommen muss – die Bande werden enger geknüpft. Da Cora mehrere Tage sturmfrei hat, da ihr Mann ja noch beim Sohnemann in England weilt, kann sie schalten und walten, wie es ihr beliebt – und keinen wundert es an dieser Stelle noch, dass sie nun von ihren neuen, alten Bekannten angefragt wird, als die eigentlich engagierte Fotografin für das anstehende Großereignis einer Hochzeit kurzfristig ausfällt. Cora sagt zu und springt hinein in ein abenteuerliches Wochenende, nach dem nichts mehr sein wird wie zuvor.

Der Rahmen, wenn ich ihn so schildere, klingt mehr als hahnebüchen, das fällt mir gerade auf, aber man kann das gut überlesen und entschuldigen, denn das, was dazwischen passiert und formuliert wird, ist oft sehr überzeugend. Es geht um die großen Fragen, die man sich mit Mitte 50 stellen kann/darf/muss, um Überlegungen, ob das alles richtig ist und vor allem auch weiterhin sein soll, so wie es jetzt ist; ob es besser wäre, Lebensumstände zu ändern, sich zu verändern. Cora erinnert sich an früher, ihre beste Freundin Johanna, an ihre große Liebe Daniel – und keinen wundert es in diesem Buch, dass sie dem dann ausgerechnet über den Weg läuft. Kismet. ;-)

Es geht hier um die existentielle Frage, ob und wie eine große Liebe in der Wirklichkeit des Alltags überleben kann, darum, was wirklich wichtig ist im Leben – Ist es die Aufregung der großen Gefühle? Ist es die Vertrautheit? – und darum, wie man mit Situationen leben muss, die man nicht mehr ändern kann. Wie lerne ich, Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen, wie schließe ich Frieden, wo ist Veränderung besser als Stillstand?

Die tiefe Freundschaft zu Johanna ist ein großartiger Teil des Buches und auch viele der inneren Monologe von Cora Hübsch, die einem oft bekannt vorkommen. Kluge Sätze, schlaue Erkenntnisse in manchmal etwas zu viel Frauenzeitschriftvibes verpackt. Ein gutes Buch zum Verschenken für die beste Freundin, zum Selbstlesen als Kuscheldeckenlese-Erlebnis. Keine große Literatur, aber ich habe es sehr gerne gelesen.

„Eine halbe Ewigkeit“ von Ildikó von Kürthy ist im Dezember 2023 als gebundenes Buch im Wunderlich Verlag erschienen. Mehr Informationen zu diesem Buch durch Klick auf den Verlagsnamen oder auf das Bild.

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