Lee Child lässt seinen unbezwingbaren Einzelgänger Jack Reacher zum 20. Thriller auflaufen. Seit ich die Reihe vor Jahren entdeckt habe bin ich diesem gesellschaftlichen Außenseiter verfallen. Psychologisch erwies er sich als faszinierender interessanter Charakter mit Schlagkraft. Autor Child versäumte es bisher nie Reachers Vergangenheit in seine Bücher einzubauen, wie Reacher zu dem wurde der ist ist, was ihn an- und umtreibt und, besonders interessant, seine Gedankengänge während er sich mittels Ganzkörpereinsatzes aus der Bredouille herauskämpft und schießt.
Das USA-Bild das Child in seinen Reacher Romanen zeichnet ist einseitig aus der Perspektive seines Helden, man könnte es eine Filterblase nennen, doch gerade dadurch ermöglicht der Autor einen besonderen Blick auf die US-Amerikanische Gesellschaft der deutliche Kapitalismuskritik aufzeigt, wenn auch von wertkonservativer Seite. Die gute Nachricht zuerst, Plot und Struktur des neuesten Bandes sind actiongeladen und spannend. Mir persönlich fehlt ein wenig Reacher, die nett ausgelegten, verstreuten Interna aus seinem Leben, seiner Vergangenheit sind in „Keine Kompromisse“ praktisch nicht vorhanden. Irgendwo im Nirgendwo trifft er auf eine Frau und einen Fall, bandelt mit beiden an und die Story nimmt ihren Lauf. Das macht „Keine Kompromisse“ zwar gut lesbar für Neueinsteiger, beraubt den Charakter allerdings auch sämtlichen Charmes und Charismas die in den vorhergehenden Bänden geschickt von Child konstruiert wurden. Wer die Vorgänger nicht kennt aber einen richtig guten Thriller mit außergewöhnlichem Protagonist zu schätzen weiß, sollte also unbedingt, beginnend mit dem Einsteiger in richtiger Reihenfolge loslegen. Alle anderen dürfen sich auf ein neues Abenteuer mit dem ehemaligen Militärpolizist freuen, dass ein bisschen weniger Tiefgang als gewohnt, aber immer noch bestes Thrillerfeeling bietet.
Keine Kompromisse von Lee Child ist als Hardcover im Juni 2019 bei Blanvalet erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.
Pingback: Serienkillerthriller – Jack Reacher und der Schicksalsberg | Feiner reiner Buchstoff