Traum oder Verpflichtung?

19331933 war ein schlimmes Jahr – für Deutschland, Europa und die Welt. Keine Frage. Und für Dom Molise. Aber aus ganz anderen Gründen, als für die anderen …

Dominic Molise, Nachfahre italienischer Auswanderer, ist 17 Jahre alt. Er träumt von einem anderen Leben, als es sein Vater, der von Beruf Maurer ist, führt. Denn er besitzt etwas, was in außergewöhnlich macht. DER Arm – sein linker – soll ihm eine Karriere als Baseballstar verschaffen und ihn aus der trostlosen Kleinstadt am Fuße der Rocky Mountains in die weite Welt führen. Ziegelsteine schleppen und Maurer werden, wie sein Vater, das hat er nicht in seinem Lebensplan stehen. Aber die Familie ist das, was zählt – gerade wenn man italienische Wurzeln besitzt. Gemeinsam mit seinem Freund Ken, der aus ganz anderen Verhältnissen, sehr begüterten, stammt, versucht er einen Weg zu finden, sich in eines der Profiteams zu spielen. Leider zunächst mit nicht ganz legalen Mitteln.

John Fante hat seinen kurzen, aber überaus feinen Roman um die Träume und Kämpfe des 17 Jahre alten Dominic, 1963 geschrieben, als 54-Jähriger. Doch kein Verlag wollte es drucken. Man fand das Manuskript erst 1983 im Nachlass des Autors, wenige Monate bevor ein kalifornischer Verlag sein Lebenswerk, das er 1938 mit dem Roman Warte bis zum Frühling, Bandini begann, herausbrachte. Wieder einmal war ein Autor großartiger Geschichten in Vergessenheit geraten. Seinen Lebensunterhalt bestritt er recht gut durch das Schreiben von Drehbüchern, was im andererseits als das Verkaufen seiner Seele angekreidet wurde. Alex Capus, der bisher schon mehrere von Fantes Romanen übersetzt hat und sich im Nachwort als ausgewiesener Kenner entpuppt, hat auch das vorliegende Schätzchen wunderbar in die deutsche Sprache übertragen.

Das war’s also. Das ganze Buch. Die tragische Geschichte von Dominic Molise, geschrieben von seinem Vater. Teil eins: Nervenkitzel Steineklopfen. Teil zwei: Spiel und Spaß im Sägewerk. Teil drei: Wie man sich vom eigenen Vater das Leben verderben lässt. Teil vier: Hier ruht Dominic Molise, gehorsamer Sohn.

Fante zeichnet seinen Protagonisten glaubwürdig, passt die Sprache den Agierenden an und schafft so ein authentisches Bild der Wünsche und Nöte eines jungen Mannes auf der Suche nach seinem Lebensweg. Wobei Dominic eigentlich ja genau weiß, was er möchte. Es sich auch zutraut. Die fehlenden Geldmittel, sein Vorhaben in Gang zu setzen, scheinen zusätzliche Stolpersteine auf dem Weg zu hinterlassen. Die Lösung dieses Problems konstruiert Fante durchaus logisch, wenn auch nicht ganz legal und der Familie gegenüber loyal. Doch Dom ist trotz mancher jugendlicher Aussetzer einer der guten Jungs, schafft es, eine Kehrtwendung hinzulegen und seinem Vater endlich seine Wünsche, Träume und Ziele zu offenbaren.

Vielleicht lag es an der blutigen Nase, dass wir in diesem Augenblick für einmal nicht Vater und Sohn, sondern Freunde waren. So konnte ich ihm von meinen Hoffnungen und Nöten erzählen, vom Stumpfsinn unserer Armut und von meinem Traum, von zu Hause wegzugehen und mein Glück als Profi-Baseballer zu versuchen. Er zündete sich eine Zigarre an, drehte mir den Rücken zu und blickte zur Tür hinaus, während meine Träume aus mir heraussprudelten und sich der Schuppen mit Rauch füllte.

Der Traum wird letztendlich eine Verpflichtung, wenn auch eine heiß ersehnte und Dominic Molise ist für mich ein bodenständiger, nachvollziehbarer, manchmal unausstehlicher, meist aber liebenswerter Fänger im Roggen. Ein wahrhaft grandioser Roman und ein krönender Abschluss für ein reichhaltiges Lesejahr 2016.

Absolute Leseempfehlung! Vor allem für Freunde der Kunst des Feldspiels aber nicht ausschließlich.

Buchdetails

  • Aktuelle Ausgabe : 14. November 2016
  • Verlag : Blumenbar
  • ISBN: 978-3-351-05031-3
  • Gebunden: 144 Seiten

 

 

4 Gedanken zu “Traum oder Verpflichtung?

  1. Baseball ist ein Spiel, das sehr ausgeklügelt ist. Angefangen hat mein Faible dafür mit Lehanes goraßrtigem Gesellschaftsroman Im Aufruhr jener Tage, von dem ich mir erhoffe, dass er auch noch mal bei Diogenes erscheint, da er wohl bei Ullstein nicht mehr lieferbar ist. Dort gibt es zentrale Kapitel um Babe Ruth, der auch das Fante Buch ziert 😉 Darüber ging es zur Kunst des Fledspiels – toller Roman, falls Du ihn nicht kennst 😉 – und dann über den Film Moneyball zu mehr Erkenntnis. Die zwei Kids – ein Mädchen, ein Junge – einer meiner Freundinen spielen beide Baseball und haben mich dnan in die Feinheiten eingeweiht, aber durchdringen konnte ich es immer noch nicht ganz 😉 Nur die Angst der Pitcher, ihr Arm könne nicht mehr mitspielen ist überall die selbe …

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  2. Die kenne ich gar nicht, das war meine erste Übersetzungsarbeit von ihm, die ich gelesen habe. Aber wer selbst Bücher schreibt, kann denke ich schon auch gut übertragen 😉 Das Buch liest sich irre schnell weg, das kannst Du einfach mal ganz genüsslich dazwischen schieben. Viele Vergnügen – ich mach jetzt langsam ne Reihe mit Baseball-fokussierten Büchern auf ;)))

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  3. Das ist mir zwischen den Jahren glatt entgangen. Schöne Besprechung! Ich habe richtig Lust auf dieses Buch, habs aber noch ein wenig zur Seite gelegt wegen anderer Lesevorhaben …ich wußte gar nicht, dass Capus schon mehrere Romane von Fante übersetzt hat! Aber offenbar hat er dafür ein Händchen, für diese schrägen Amerikaner, ich mochte auch sehr seine Übersetzung von „Ignaz oder die Verschwörung der Idioten“.

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