ich verfolge Sie, beziehungsweise Ihr Tun, seit Sie die Figur der Ruth Jameson in Grüne Tomaten so wunderbar verkörperten. Schon in diesem Film zeigte sich Ihr einzigartiges Talent der unglaublichen Wandelbarkeit, das mich fortan immer wieder verblüffte und einnahm. Immer wieder haben Sie mich in verschiedenen Rollen überrascht – weil ich Sie zunächst nicht erkannt habe. Zwar haben Sie sich äußerlich nicht wirklich verändert, doch Ihre Fähigkeit, alles darzustellen, von der jungen bibeltreuen Frau mit Hang zum Glücksspiel bis zur Witwe mit zwei Kindern, die ihr Geld als toughe Dealerin verdient, hat den wundersamen Effekt, Sie zwar zu erkennen, aber eben nicht als Mary-Louise Parker. Ihre Vielseitigkeit und Authentizität sind es, die faszinieren. Ihr Privatleben ist tatsächlich privat und Sie haben es nicht nötig, sich dem Medienrummel preiszugeben. Damals, als sie der Zerberus No. ? sitzen ließ, hochschwanger, wegen einer anderen, haben Sie keine öffentliche Schlammschlacht veranstaltet. Bis jetzt, bis zu diesem wunderbaren, ehrlichen, offenen, liebevollen Buch, das Sie über die Männer Ihres Lebens schrieben. Und auch dieses Mal gehen Sie in Ihrer eigenen Art und Weise vor, indem Sie es nicht so machen, wie es andere täten. Sie schreiben keinen Brief an den untreuen Mistkerl – denn das war er, da wird Ihnen jede Frau und mancher Mann Recht geben – indem Sie ihn an den Pranger stellen, Sie setzen sich mit Ihren damaligen Gefühlen auseinander, die Sie unfreundlich anderen gegenüber werden ließen. Und das macht den Unterschied und dieses Buch zu einem, das glitzert, bezaubert, berührt, überrascht und die Hauptperson, also Sie – denn Sie sind es, nicht die Männer, an die Sie ihre intensiven, manchmal intimen, Briefe richten – warm leuchten lässt, obwohl Sie hier nicht im Rampenlicht stehen. Zumindest nicht ganz direkt.
Sie schreiben Briefe an all jene Männer, die Ihnen bis heute lebhaft in Erinnerung geblieben sind. Sowohl in positiver, als auch negativer. Denn ja, auch Ihnen sind sie über den Weg gelaufen, die unehrlichen, die sich selbst und damit die ihnen nahe stehenden Personen zerfleischenden, die unzufriedenen Kerle – aber eben auch die glücklichen, die authentischen, die weisen, die hartnäckigen, die bis über alle Ohren und rettungslos verliebten Männer. Und ich hoffe, dass sie die Überzahl derer bilden, die Sie all die Jahre mit sich herumtrugen. Weshalb Sie diese Briefe schreiben? Vielleicht deshalb?
“ Ich schreibe zwanghaft Enden um, die mich quälen. Das Gefühl, dass Gott entweder allzu geheimnisvoll tut oder aber völlig unfähig ist, die richtigen Prioritäten zu setzen, ist schwer zu verkraften. Ich höre Leute sagen «Es ist nicht grundlos passiert» oder «Es ist Gottes Plan» und wünschte, diese Aussagen würden einen Sinn für mich ergeben, aber das tun sie nicht. Ich trage dich noch immer mit mir herum und weiß nicht warum.
Vielleicht gibt es für uns arme Menschen keine Antworten, aber ein paar Dinge wissen wir doch. Wir wissen, dass es einen Planeten mit viertausend Arten von Singvögeln gibt. Weil das möglich ist, und wie auf dem selben Planeten fühlende Wesen existieren, die nahezu vollständig aus Sternenstaub bestehen, und wie Poesie kraftvoll aus manchen dieser Wesen hervorbricht, und weil es Musik, Sex und Babys gibt, die im Schlaf lachen; weil wir alle in einem Universum treiben, das tatsächlich ein Hologramm sein könnte mit einer weiteren Dimension, die sich außerhalb der Definition von Relativität und Gravitation erstreckt, gibt es keinen Grund, warum meine Gebete deine Mutter, von der ich nicht einmal den Namen weiß, nicht erreichen sollten. Es gibt keinen Grund, der dagegen spräche, da nichts vollständig mit seiner Beschreibung harmoniert, nicht wirklich, und jede Theorie der Zeit und des Raums fehlerhaft ist.“
Das schreiben Sie dem jungen Mann mit den großen Füßen, von dem Sie nicht mehr wußten, als dass seine Mutter ihn liebte, sich um ihn sorgte und mit ansehen musste, dass ihre eigenen Gebete nicht halfen. Er ist nicht der einzige Mann Ihres Lebens, dem Sie schreiben, obwohl er nicht wirklich zu Ihrem Leben gehörte. Sie geben den Namenlosen eine Geschichte, Sie zeigen uns Ihr eigenes Innerstes, Ihre wilde, unbeschwerte Jugend genauso wie die harten Zeiten der Ausbildung und des Karrierebeginns. Sie lassen uns ein in Ihr Leben und Ihre wunderbaren Gedanken – und dafür möchte ich Ihnen danken. Selten habe ich etwas liebevolleres, klügeres, mitfühlenderes, humorvolleres und inspirierenderes gelesen, als diese Briefe. Ich weiß, dass Sie meinen nie lesen werden, aber Sie haben mir mit diesem Buch so viel geschenkt, dass ich nicht anders kann, als diesen zu schreiben.
Ihr Buch werde ich sicherlich noch oft in die Hand nehmen und ich werde mir die Originalausgabe besorgen, die mit der Austernschale auf dem Cover, die bereits auf die Geschichte hinweist, die mir so nahe ging, dass ich sie nicht in der Öffentlichkeit lesen konnte und wollte. Ich hoffe, auch die deutsche, von Annette Grube so einfühlsam übertragene, Ausgabe findet unzählige Leser, auch männliche, die sich nicht vom deutschen Titel und Cover verleiten lassen, das Buch in die sogenannte Frauenbuch – Ecke zu stellen. Denn dieses Buch gehört in nur eine Ecke: die der immerwährenden Schätze.
Danke für alles, vor allem aber für glückliche Lesestunden, die bis in den Alltag hineinreichen. XXX
“ Ich vergesse immer wieder, dass wir alle aus Äther und Instinkt bestehen. Uns allen fehlen Teile, und wir kreisen um denselben Mond.“
Buchdetails:
- Aktuelle Ausgabe : 22. Sepbtember 2016
- Verlag : S. FISCHER
- ISBN: 978-3-10-397215-3
- Gebunden: 288 Seiten
Ist gebongt – coole Sache. Aber was heißt ihr jetzt alle … ich guck das eh ständig 😉
LikeGefällt 1 Person
ok Bri – überzeugt. Buch wird gekauft, aber dafür müsst ihr jetzt alle auch „Grüne Tomaten“ gucken 🙂
LikeGefällt 1 Person
LIes es, Du wirst es nicht bereuen – und es sind keine Briefe mit an ihre Ex-Partner. Es sind Briefe an Menschen, in diesem Fall an Männer, an einen Feuerwehrmann nach 9/11, an den Taxifahrer, der sie zu einer Untersuchung während ihrer Schwangerschaft fahren sollte, nachdem Crudup sie verlassen hatte. Also ab zum Buchhändler, Du verpasst sonst was. Ehrlich. Es bersteht nur die Gefahr, Dich wieder zu verlieben 😉 Also ich finde sie jetzt noch viel toller, als es vorher schon der Fall war …
LikeGefällt 1 Person
Marie-Louise Parker ist einfach wundervoll und sie hat seit Grüne Tomaten einen festen unverrückbaren Platz in meinem Herzen. Jesses war ich verliebt 😉
Ich schwanke noch, ob ich Briefe von ihr an ihre Ex-Partner lesen möchte. Hmmm….
LikeLike
Ja, ab zum Buchhändler des Vertrauens – nicht zögern. Das Buch ist ein Juwel. LG
LikeGefällt 1 Person
Go, get it😊 ich kann nach hingerissener Lektüre jedes Wort von bri unterschreiben. Dear You ist ein Hirnschmeichler, poetisch, wunderbar und eine wuchtige Wonne zu lesen. Ein Loblied auf das Leben in all seinen Facetten.
LikeGefällt 3 Personen
Das Buch steht schon lang auf meiner Wunschliste. Jetzt muss es wohl doch mal ins Regal wandern. Danke für die schöne Besprechung!
LikeGefällt 2 Personen