Vielleicht sollte ich eine neue Rezensionsform für mich entwickeln, mit dem Namen „Buchbesprechungs-Quickies“ ;-) So sehr ich meine früheren, langen Texte liebe, ich schaffe es einfach nicht, mir so viel Zeit fürs Schreiben zu nehmen, wie damals. Das ist die dunkle Seite der Medaille: Der permanente Zugriff auf Leseexemplare als Teil eines Buchhandlungsteams macht mich oft ruhelos und lässt mich häufig von einem Titel zum nächsten hüpfen, ohne ihn fertig lesen zu können oder zu wollen. Immer auf der Suche nach DEM tollen Ausnahmebuch der Saison bin ich eine rastlose Buchdurchblätterin geworden. Meine Texte sind also mittlerweile knapper und weniger analysierend, dennoch hoffe ich, sie helfen dem einen oder anderen Lesenden bei seiner Auswahl im Meer der Bücher …
„Sunbirds“ zu lesen, war Teil einer Idee, die ich mit einer Kollegin zusammen durchgeführt habe: Wir haben uns gegenseitig einen Buchtitel ausgesucht, den die jeweils andere durchlesen MUSSTE, egal, ob er unserem Beuteschema entsprach oder nicht. Ein weiterer Versuch, dem obengenannten Problem entgegenzuwirken. Und in der Tat haben wir beide „outside our comfortzone“ gelesen. Horizonterweiterung, das ist doch klasse! Und … wir haben beide die Bücher GANZ durchgelesen, hurra!
Torran, ein junger Mann aus Schottland, reist nach Indien; er ist auf dem Selbstfindungstrip, empfindet das spirituelle Hippieleben als inspirierend. Seine Eltern zu Hause bekommen anfangs kurze, aber regelmäßig eintrudelnde Postkarten. Doch dann, ohne Vorankündigung, ist er wie vom Erdboden verschwunden. Das ist 7 Jahre her, als das Buch einsetzt. Die Mutter Anne sucht immer wieder für längere Zeitspannen in Indien nach dem Sohn, auch nach all den vielen Jahren, denn so oft hört man von Vermissten in dieser Gegend, die doch wieder auftauchten.
Der Vater Robert ist nach einer merkwürdigen Begebenheit bei sich im schottischen Haus davon überzeugt, dass der Sohn nicht mehr lebt und begleitet fortan seine Frau nicht mehr auf deren Reisen. Auch dieses Mal ist er in Schottland geblieben. Die Ehe ist zerrüttet durch die Trauer um den Sohn.
Torrans Cousine Esther ist Journalistin. Zu Beginn des Verschwindens schrieb sie einen wenig charmanten Bericht über die Familienkonstellation von Torrans Familie, mit Anschuldigungen gegenüber Anne, die lieber im Privaten geklärt worden wären, als auf öffentlicher Bühne … Weder Robert noch Anne sind seither gut auf diese junge Frau zu sprechen, die früher zeitweise bei ihnen mitwohnte, da auch deren eigene Familie nicht besonders gut funkionierte.
Neue Informationsstücke kommen zutage, als eine Frau, die auch in Indien war, mittlerweile aber wieder in Europa ist, behauptet, sie habe Torran, der mittlerweile einen anderen Namen trägt, kennengelernt. Er lebe, sei wohlauf. Eine neue Dynamik setzt ein und Hoffnung keimt wieder auf. Esther, mittlerweile auch nicht mehr zu 100 % überzeugt, dass ihr Artikel damals die beste Idee war, reist auf eigene Faust nach Indien, um Anne zu finden und mit ihr zusammen nach Torran zu suchen. Anne und Esther wandern durch Nordindien auf der Suche nach dem vermissten Sohn. Ein emotionales Auf und Ab beginnt, Gespräche über Mutterschaft, Liebe, Loslassen, Verantwortung, Selbstbestimmtheit und Vernunft werden geführt. Ein Buch, das viel will, viele lose Fäden aufgreift, aber für mein Empfinden nicht alles einhalten kann, was es verspricht. Am Ende stehe ich etwas ratlos da.
Interessant und neu war für mich, dass seit den 1990er-Jahren viele ausländische Touris in Nordindien auf ihrem spirituellen Trip verschwunden sind und das ein ernstzunehmendes Problem ist/war. Bis heute scheinen Ausländer dort illegal in Kommunen tief in den Gebirgsregionen oder in Tälern unentdeckt zu leben.
Superspannend: Meine Kollegin Linda hat das Buch kurz nach mir gelesen und sie liebt es total! Ihr Mutterherz, wie sie sagt, wurde davon genau getroffen, die Themen berühren sie sehr. Eines ihrer Lesehighlights!
Wieder mal ein wunderbares Beispiel dafür, dass es meist nicht die Bücher sind, die „schlecht“ sind, sondern dass es der Zeitpunkt ist, der nicht passt. Vielleicht würde ich das Buch in ein paar Monaten ganz anders bewerten …
Also, macht Euch selbst ein Bild und schaut es Euch an!
„Sunbirds“ von Penelope Slocombe ist im Juni 2025 als Hardcover im Ullstein-Verlag erschienen und aus dem Englischen von Britt Somann-Jung übersetzt worden. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.


Hallo Satzzeichen, von Deinen Erfahrungen und Überlegungen zur Ausführlichkeit und Länge von Buchbesprechungen fühle ich mich angesprochen. Wie viele Schmöker habe ich in letzter Zeit hier im Blog nicht vermeldet, weil ich eigene Ansprüche nicht erfüllen konnte. Für einen betreffenden kurzen Hinweis fehlte mir das Format, welches manche geschätzte Bloggerinnen für sich entwickelt haben. So finde ich Eure Verabredung, wechselseitig empfohlene Bücher zu lesen und vorzustellen, eine passende Idee.
Ja, „Sunbirds“ ist ein reizender Titel für ein Buch, wie auch die Stichworte Schottland, Indien und die Suche nach verlorenen oder vermissten Personen. Je nach eigener Bezüglichkeit ein hilfreicher Hinweis auf eine Neuerscheinung. Selber werde ich den Roman nun zunächst einmal nicht nachschauen oder auf eine Liste nehmen. Bei der Fülle der Angebote kann sich dies durchaus gleich ändern, wenn Tips von verschiedenen Seiten und Quellen auftreten sowie ganz persönlicher Anregung von Lesefreundinnen und Buchhändlerinnen meines Vertrauens beziehungsweise der reine Zufall auf einem Büchertisch oder in der öffentlichen Bibliothek.
Lesegrüße sendet Bernd
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