Dream Count

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich meine Bibliothek ausgemistet habe. Der Status Quo ist aber momentan so, dass das Auffinden bestimmter Bücher nicht immer auf Anhieb gelingt. Dabei bin ich mittlerweile sehr streng in der Auswahl, welche Bücher einziehen und bleiben dürfen. Kaufe auch nur noch Bücher die ich später gerne im Regal sehen möchte.

Chimamanda Ngozie Adichie ist eine der Autorinnen die dort bereits mehrfach vertreten ist und daher war es klar, dass Dream Count einzieht um zu bleiben. Nach Lektüre bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Ja es ist großartig wie sie erzählt und die Geschichten der drei befreundeten nigerianischen Frauen Anfang vierzig wovon eine, Chiamaka, während der Pandemie auf ihre verflossenen Liebhaber zurückblickt. Daher der Titel Dream Count, was so viel schöner klingt als Body Count und auch treffender ist. Weniger gutsituiert und in extrem prekärer Situation lebend als Chiamaka der Reiseschriftstellerin, Zikora der Anwältin aus Washington DC und der Bankerin Omelogor ist Kadiatou. Sie ist arm, glücklich über ihren Job als Chiamakas Haushälterin und hocherfreut über ihren neuen Job als Zimmermädchen in einem noblen Hotel. Bis sie dort von einem hochgestellten Hotelgast überfallen und vergewaltigt wird. Strauss-Kahn lässt grüßen. (Interessant, dass ich hier zu diesem Fall verlinken wollte, im Netz aber fast nichts  zu finden war. Das ist befremdend und erschreckend.)  Die drei Freundinnen versuchen ihr zu Gerechtigkeit zu verhelfen.

Im Vordergrund steht aber Chiamaka die ihre Liebhaber, ihre ehemaligen Beziehungen während der Pandemie Revue passieren lässt und auch die der anderen Frauen. Woran sind sie gescheitert, wie fühlte es sich während der Beziehung an, Rassismus und Klassismus ist ein Thema die Behandlung von Pocs in den unterschiedlichsten Ländern, Gründe warum wir Männer lieben und ihr manchmal seltsames Verhalten, Adichie schreibt grandios, komplex und tiefe Einblicke gewährend in die nigerianschen Kultur die wiederum so vielfältig ist je nachdem welcher Schicht man entstammt.

Immer finden sich kurze blitzende Erkenntnissse ein die zitatwürdig sind, die betroffen, schmunzeln oder nachdenklich machend sind. Kleine Kristalle der Weisheit. Über Männer, Beziehungen, Machtverhältnisse, Gesellschaften, Kultur und Sehnsüchte.

Der Roman beginnt  mit Chiamaka:

„ Ich habe mich immer danach gesehnt, von einem anderen Menschen erkannt zu werden, wirklich erkannt.“

Und nun beim Schreiben darüber merke ich wieso mich Dream Count, trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten nicht komplett einfangen konnte. Die Gedanken der vier Frauen sind weitab von meiner Lebenswelt. Ich lebe seit vielen Jahren mit jemand zusammen, der mich kennt und so liebt wie ich bin.  Dieses unglaubliche Glück ist Selbstverständlichkeit geworden. Vielleicht die Tücke einer Langzeitbeziehung: fehlende Dankbarkeit angesichts dieser ertaunlich glücklichen Tatsache. Wird behoben werden und allein für diesen Gedanken darf Dream Count nun doch bleiben. Jetzt sagt es mir etwas Wichtiges, wenn ich den Buchrücken im Regal betrachte.

Dream Count von Chimamanda Ngozi Adichie  ist im März 2025 als gebundes Hardcover bei S. Fischer erschienen. weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

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