Die, die sich kümmert

Maddie ist immer „on duty“, immer ansprechbar, immer zugewandt, immer zuständig. Deshalb nennt man sie auch Maame – die, die Verantwortung trägt. Sie lebt mit ihrer Familie in London und als die Mutter – anfangs nur für kurze Zeit, dann immer länger – zurück nach Ghana zum anderen Teil der Familie reist, zu dem Teil, der nicht ausgewandert ist, ist es immer Maddie, die sich zu Hause in Großbritannien kümmert. Um den Bruder und den Vater. Als der Bruder schließlich auszieht – warum sollte er sich um irgendwas scheren, was zu Hause zu tun ist? – bleibt selbstverständlich Maddie zu Hause wohnen, um den Vater zu bekochen und den Haushalt zu schmeißen. Eigenes Leben nach dem Schulabschluss? WG während des Studiums? Weit gefehlt!

Maddie arbeitet nach dem Studium weit unter ihrer Qualifikation im Organisationsteam eines Theaters, der Vater ist mittlerweile an Parkinson erkrankt, weswegen ein Pfleger zeitweise ins Haus kommt, um Maddie das Arbeiten zu ermöglichen. Als schließlich die Mutter mal wieder für eine ihrer raren Stippvisiten nach Großbritannien kommt, wagt die junge Frau den Absprung, sucht sich ein WG-Zimmer und zieht aus. Eine Weile scheint es, als könne sie sich endlich entfalten, sich ausprobieren, zu der Frau werden, die sie in ihren Träumen immer sein wollte. Doch dann geschieht etwas, was Maddie völlig aus der Bahn wirft und was sie zwingt, alles Gewesene zu überdenken und ihr gerade neu gewonnenes eigenständiges Leben noch einmal komplett neu zu strukturieren.

Diese Buch hat mich komplett überrascht und mitgerissen! Tempo- und abwechslungsreich bietet es alle möglichen Themen in einer Geschichte! Liebevoll und witzig erzählt Maddie als Ich-Erzählerin von ihrem Leben. Das zieht einen sprachlich direkt hinein in ihre Selbstfindungsphase mit Krise – wir schauen ihr über die Schulter und sind live dabei, wenn sie erlebt, was sie erlebt. Das ist manchmal lustig, fröhlich, bewundernswert, dann auch wieder zum Fremdschämen, wenn man merkt, sie ist auf dem Holzweg, dann auch wieder traurig und tragisch – die ganze Palette an Emotionen bekommen wir geboten, es wird nie langweilig und als Maddie sich Knall auf Fall verliebt, denkt man ein paar Momente lang: Oh je! Kitsch lass nach! Und gerade als ich enttäuscht aufhören wollte, kommt wieder ein Plottwist und vorbei ist der Kitsch! Es hilft, dass Maddie uns mit einbezieht, sie redet mit ihrem „Publikum“, wenn sie googlet sehen wir ein Layout, das an ein Browserfenster erinnert, wenn sie Whatsapps schickt, sehen wir den typischen Gesprächsverlauf aus den Chatfenstern. Das wirkt zusätzlich authentisch und lockert das Layout auf.

Wer Unterhaltung mit Tiefgang sucht: bitteschön! Hier ist sie! Mich hat die Geschichte ein wenig an „Eleanor Oliphant“ erinnert. Maddie ist sozial viel kompetenter, aber auch sie muss ihren Weg finden in der Gesellschaft, weitgehend alleine auf sich gestellt, ohne elterliches Sicherheitsnetz …

Großer Überraschungstipp von mir!

Maame von Jessica George ist im Verlag btb als Klappenbroschur erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

3 Gedanken zu “Die, die sich kümmert

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  2. Hi, nach deiner Rezi das Buch gleich mitgenommen als es mir begegnete und es ist klasse, ich liebe es, was beachtlich ist, wegen meiner akuten Leseschwäche, aber Maame rockt, merci vielmals

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