Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen – ein Spruch, der tatsächlich so etwas wie das Motto meiner eigenen Famiilengeschichte, zumindest so, wie ich sie kenne, sein könnte. Meine Großmutter, wie einige von euch bereits wissen mögen, hat nie eine Ausbildung zur Köchin im üblichen Sinn gemacht, stand aber ab ihrem vierzehnten Lebensjahr in der Küche der elterlichen Gastwirtschaft. Wer sie das kochen gelehrt hat, hat sie nie so recht erzählt. Aber Familienrezepte gibt es bei uns reichlich. Traditionell fränkische Hausamannskost, jedoch mit einem hohen Gemüseanteil. schnellen Gerichten die für mich tatsächlich zu Lieblingsspeisen wurden, und sonntäglichen aufwändigeren Rezepten, die später eine schwäbische Note bekamen. Gemüse, Eier, verschiedene Geflügel kamen aus dem eigenen Garten, den meine Urgroßmutter bewirtschaftete, während mein Urgroßvater, Metzger von Beruf, regelmmäßig für Schlachtplatte und geräucherte Wurstwaren sorgte, wenn er nicht hinter dem Tresen der Gastwirtschaft stand. Ein rundum durchdachtes Geschäftskonzept – würde man heute wohl sagen. Wobei die Ursprünge desselben zumindest für mich im Dunkeln liegen. Vielleicht versuche ich inrgendwann mehr darüber herauszufinden. Ob das dann aber zu einem Kochbuch mit Geschichten zu den Familiengerichten ausreichen würde, wage ich zu bezweifeln. Asma Khan jedoch hat mir da einiges voraus, unter anderem ein gut gehendes Restaurant namens Darjeeling Express im Herzen Londons, in dessen Küche Hausmannskost von „ungelernten“ Hausfrauen meisterhaft zubereitet wird, und die Teilnahme als erste Frau in der erfolgreichen Netflix Produktion Chef’s Table.
Wie so häufig bei Kochbüchern des Schweizer AT Verlags geht es auch bei Asma’s Indische Küche nicht nur darum, Rezepte mit Mengenangaben und schönen Fotos in einer Art Sammlung zu vereinen, sondern um die Geschichten und Erinnerungen, die wir alle mit gewissen Gerichten oder Speisen verbinden. Asma Khans Familienhintergrund ist sowohl mütterlicher- wie auch väterlicherseits von adliger Herkunft geprägt. Gleich zu Beginn erzählt Asma Khan davon, welchen Stellenwert die Küche in ihrer Familie besitzt. Auch wenn mich der Fokus auf die königliche Herkunft zunächst sehr überrascht hat, wusste ich doch, dass Asma Khan in Cambridge Jura studiiert hatte, seit den Anfängen des Supper Clubs in ihrer Wohnung vor allem Frauen und deren Bildung unterstützt, ihre Kochkünste einer Tante, die ebenfalls in Cambridge lebte, verdankt und nach deren Tod für mehrere Monate zurück nach Indien ging, um dort weiter in die Geheimnisse der traditionellen indischen Küche einzutauchen. Schnell wird klar – die Khans ließen früher kochen, wobei sie ihre Köche hoch schätzten. Und um die indische Küche zu beherrschen, muss man ein paar Kniffe kennen.
Dem persönlichen Einstieg in das Kochbuch, der erste Einsichten in die Familiengeschichte Asma Khans erlaubt, folgt ein informativer und präziser Teil über Techniken der inidischen Küche, aus dem ich als Europäerin einiges Neues über das Kochen mit exotischen Gewürzen erfahren konnte. Ich weiß jetzt viel besser mit Chillis umzugehen – meine Kürbissuppe hat eine feinere und frischere Schärfe bekommen, die wir alle sehr mögen – und ich habe wieder einmal bestätigt bekommen, dass die beste Zutat für das Gelingen einer Speise häufig Zeit gepaart mit Geduld ist.
Die Rezepte, die immer wieder von persönlichen Texten flankiert werden, hat Asma Khan nicht nach Jahreszeiten oder Zutaten gruppiert, sondern nach der Anzahl der Menschen, die die daraus entstandenen Speisen gemeinsam genießen werden. Denn das ist der zentrale Punkt, der sie selbst dazu gebracht hat, sich mehr mit der Küche ihrer Heimat zu beschäftigen, als sie ihrem Mann nach England folgte: Die Überzeugung, dass man durch gemeinsames kochen und essen großartige Brücken bauen kann. Und mit den meist unaufwändig, soll hießen ohne vie chi-chi, zu kochenden, gut beschriebenen Rezepten schafft man dies, wenn man etwas geübt ist, mit Leichtigkeit.
Bevor das Buch mit verschiedenen Menüvorschlägen zu unterschiedlichen Anlässen und dem natürlich unabkömmlichen Register endet, widmet Asma Khan dem langjährigen geschätzten Koch der Familie noch einen sehr persönlichen Text. Er habe sie viele der im Buch versammelten Rezepte gelehrt und ihr damit zu einer neuen Heimat verholfen, indem sie die Gerichte ihrer Kindheit mit neuen Freunden teilen konnte. Was für eine schöne Vorstellung.
Meine kulinarischen Wurzeln haben mir zwar keine neue Heimat in ferner Fremde beschert, dennoch verdanke ich viele meiner Erinnerungen den Gerüchen und Gerichten der Küche meiner Großmutter, in der wir jeden Sonntag – nicht immer ganz so idylisch und vertraut, wie wir es uns alle vielleicht gewünscht hätten – gemeinsam aßen. Punkt zwölf – darauf pochte mein Großvater. Meine Großmutter allerdings war glücklich uns alle wenigstens einmal in der Woche an ihrem Tisch versammeln zu können und das konnte auf fünf Minuten nach zwölf Uhr sein. Und während ich das hier schreibe, ist mir fast ein wenig, als säße ich wieder dort …
Asma’s Indische Küche ist mit vielen wunderbaren Photographien ausgestattet und als solide gebundenes Hardcover im Herbst 2020 im AT Verlag erschienen. Für mehr Information durch Doppelklick auf das Cover im Beitrag oder direkt auf der Verlagsseite.
Ja, Bri,
„eigener Herd ist Goldes wert“ sagt ein Sprichwort, und also gute Wünsche zu der Baustelle und zum Plätzchen backen.
In der Küche habe ich ein Kochbuch, gerne mal und doch zu wenig probiert:
Madhur Jaffrey, Indisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte. Aus dem Englischen von Ulrike Halbe-Bauer, Manfred Halbe und Wolf Mersch, Edition d i à, St. Gallen, Berlin, Sao Paulo 1990, 1992, ursprünglich 1982.
Gute Zeit und herzliche Grüße aus Nürnberg
Bernd
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Noch so jemand – wie schön, liebe Christa. Ich weiß nicht, ob es am steigenden Alter liegt – nein, ich mochte das schon immer so. Den Milchreis, wenn es mir nicht geht, gibt es noch immer, den Apfelstrudel, wenn ich am liebsten etwas gegen die Wand reuern möchte 😉 … ja, es ist schön, zusammen am Tisch sitzen zu können und ich freue mich sehr, dass mein Sohnemann das Genießergen unserer Familie geerbt hat. Lass es Dir gut gehen – gerade jetzt. LG
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Lieber Bernd, wie schön, dass Du auch so siehst. Wir kriegen nächste Woche einen Herd, was meinst Du, da wird es abgehen in der Küche. Der alte hat die Hufe hochgerissen, wie man hier so schön sagt, und war eh schon nicht der beste. Ich freue mich so darauf, Plätzchen nach den Rezepten meiner Mam zu backen … gerade jetzt, woe alles so verlangsamt ist und man nur virtuell zueinander finden kann. Ich hoffe, Du machst es Dir auch kulinarisch schön, Liebe Grüße in die alte Heimat. Bri
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„Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen“, so ist es wohl, mir auch.
Danke Bri, für die aktuelle indisch-englische Besprechung wie auch Deine fränkischen Erinnerungen.
Guten Appetit in der Adventszeit
und schöne Grüße
Bernd
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Indem Du mit „Soul Food“ titelst, spricht Du mir aus der Seele. Unter Sould Food wird ja gern die Küche der Afroamerikaner aus der Zeit der Sklavenhaltung verstanden: Green Fried Tomatoes, Hush Puppies, Gerichte mit Innereien, … Für mich ist Seelennahrung alles, was mehr als den Körper ernährt, z.B. das, was meine Großmutter gekocht hat – Essen, das tröstet, wenn man Kummer hat, und einem das Gefühl eines Zuhauses vermittelt. Die Küche der ungelernten Köchinnen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
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