Berliner Stadtblatt Nr.27

JohnQube @ pixabay

Tom ist am Ende.

Er sitzt auf seinem Sofa; besieht sich abwesend seine halb offenen Handflächen.

Einer Kippe im Aschenbecher entsteigt ein schmales gerades Rauchbändchen, das sich erst über seinem Kopf zu einem wolkigen Knäuel auffasert.

Die Bierdose sammelt noch umherschwebende Feuchtigkeit ein, die sie werbegleich an sich hinabperlen läßt.

Es ist geht gemächlich auf High Noon zu.

Tom verzieht sein Gesicht zu einer verzweifelten Grimasse und Jahre alte Tränen brechen endlich durch Barrikaden.

Was hatte er nicht gekämpft!

Alles gegeben. Für seine Familie, seine Brüder.

Hatte auch großspurig Schuld auf sich geladen, die ihm niemand abnehmen kann.

Nun kann er nicht mehr.

Ist fertig.

Immerhin hatte er gehen dürfen. Alles okay.

Aber wohin?

Klar hatte es Frauen in seinem Leben gegeben. Scharfe Frauen. Doch wo waren sie jetzt?

Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung.

Und als ob dies nicht reichte, um Tom klar aufzuzeigen, wie unendlich allein er war, hatte er nun auch noch einem miesen Scherz gleich die Karte „Diagnose: Endstadium“ gezogen.

Das war es also.

Endstation mit 48. Hier in dieser abgefuckten, toten Bude im Nordosten jener Stadt also, in der ich den Großteil meines Lebens zugebracht und stets die Augen offen gehalten hatte.

Zu allem bereit.

Was für ein beschissener Abgang!

Und seine Kinder?

Die werden nie erfahren, wer er wirklich gewesen ist.

Worum es ihm gegangen war.

Kacke! Verdammte!

Klar, darf er zu seinem Großen keinen Kontakt haben.

Das leuchtet ihm schon ein. Kein guter Umgang und so. Aber trotzdem: Er ist doch sein Kind.

Und die Kleine ist weit weit weg. Wer weiß schon, ob er sie noch einmal sehen wird, bevor …

Tom hält es nicht mehr auf seinem Platz.

Er springt auf, tritt den vor ihm stehenden Couchtisch um und schreit: „Verdammte SCHEIßE!“

Er braucht jetzt dringend ne Kippe, sonst gibt‘s Kleinholz!

Aber die beschissene Kippe ist nicht mehr zu entdecken.

Lugt fluchend nach `ner neuen, greift hin und wirft sie sich zwischen die Lippen.

Tiefer Zug.

Das Tosen der Gedanken läßt nach.

Zur Sicherheit einen Schluck vom kühlenden Bier.

Er wühlt im Chaos nach seiner Dose.

Ein kleiner Rest hat sich tapfer an die Innenseite der Dose geklammert.

Das endlose Ziehen im Bauch.

Lustloses Kicken mit dem Couchtischchaos.

Er muß doch irgendwas machen können. Das gibt‘s doch nicht.

Andere hinterlassen ihren undankbaren Plagen doch auch Botschaften.

Das kann er auch.

Vielleicht ein Video.

„Hey, ich bin‘s. Torture Tom. – Euer Dad. Ich bin bald weg vom Fenster und wollte nur ein paar Sachen loswerden.“

Er hält inne, weil er sich bescheuert vorkommt.

Ne, so nicht. Tom ignoriert das permanente Ziehen im Bauch und denkt weiter.

Na, dann vielleicht ein Buch. Jeder Trottel bringt doch mittlerweile sein mickriges Anzug Tragen als Buch raus.

Das hatte sogar er mitgekriegt.

Und auch wenn er nichts von bleibenden Wert besaß, so wußte er doch um seine eigene, echt krasse Geschichte.

Nicht bloß lauwarmer Karrierebla.

Sondern richtiges Bam! Bam! Bam!

Aber mehr weiß ich allerdings auch nicht

2 Gedanken zu “Berliner Stadtblatt Nr.27

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