Historischer Spionageroman, Spanien, Bürgerkrieg, rasant erzählt, eine Kombination von Steven Spielberg und Umberto Eco – so wird der neueste Roman von Arturo Pérez-Reverte beworben. Historische Romane bieten häufig viel Hintergrundwissen um die Zeit, die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, die den Rahmen für ihre Handlung geben. Spionageromane hingegen zeichnen sich eher durch die Fixierung auf den Kampf politischer Ideologien aus. Ein deutlicher Vorzug des Autors bezüglich der einen oder anderen Ideologie ist durchaus nicht unüblich. Der Preis, den man zahlt ist nun eine Mischung verschiedener Genre, die offensichtlich einige Leser*innen nicht unbedingt zufrieden zurücklässt. Weshalb ist zum Teil nachvollziehbar, andererseits aber auch kurzsichtig.
In Spanien kündigt sich ein Bürgerkrieg an und Lorenzo Falcó erhält im Jahr 1936 einen neuen Auftrag – er soll einen hochrangigen politischen Gefangenen befreien. Das Gefängnis liegt in der sogenannten roten Zone, die von allerlei kommunistischen Splittergruppen gegen die Putschisten unter der Führung General Francos gehalten wird. Falcó ist versiert, hat Schlag bei den Frauen, nicht zuletzt aufgrund seines gepflegten Äußeren und seines Stils, und ist keiner politischen Seite tatsächlich zugetan. Er kämpft am liebsten alleine, wenn er andere Mitstreiter hat, hält er am liebsten das Heft in der Hand. Sein Vorgesetzter und damit auch Auftraggeber ist eine graue Eminenz – zumindest für den Leser – und ihm irgendwie fast väterlich zugetan. Falcó jedoch kennt keine Seilschaften. Er zieht seine Aufträge durch, hofft zu überleben und versucht, niemals zwischen die Fronten zu geraten. Doch genau das passiert dem abgebrühten, ja emotionslos wirkenden Agenten. Er erfährt Loyalität, die er nicht erwartet, jedoch durch irgendeinen Funken von Emotionalität selbst zuvor evoziert hat, und wird seine weiteren Aufträge nicht mehr ganz so kaltblütig abschließen können, wie er es sich vielleicht erhofft hatte.
Arturo Pérez-Reverte glänzt in seinem knapp 300 Seiten langen Roman nicht mit einem ausufernden Gesellschaftsporträt, wie es beispielsweise Volker Kutscher in seiner Krimireihe um Gereon Rath tut. Gemeinsam aber ist diesem Roman und Kutschers Reihe ein Protagonist, der eher als Antiheld gezeichnet wird, nicht eindeutig schwarz oder weiß, sondern eher grau, was seine moralischen Vorstellungen angeht, und der vor allem sich selbst vertraut. Während Gereon Rath auf Seiten des Gesetzes die raschen Veränderungen ausgehend von der Weimarer Republik zur Zeit der Naziherrschaft in Berlin erlebt, ist Falcó ein Söldner, dem ideologische Verpflichtungen nichts bedeuten. Zumindest zu Beginn des Romans nicht. Hier lernt man ihn kennen, wie er seiner geheimen Arbeit nachgeht, immer auf der Suche nach einer schönen Frau, mit Vorliebe für den Hupa-Hupa genannten Drink und abhängig von seinen Cafiaspirinas, die seine manchmal unerträglichen Kopfschmerzen kaum lindern können. Nicht gerade sympathisch, eher arrogant mit dem gewissen Etwas. Pérez-Reverte gelingt es, die Atmosphäre der Dreißigerjahre gut einzufangen, das Wirrwarr an Nationen und Verstrickungen in Spanien während des Bürgerkrieges ohne große Erklärungen deutlich zu machen. Sprachlich im Genre, durchaus flüssig, wenn auch nicht immer Page-Turner-mäßig spannend zu lesen, schafft er hier einen Spagat zwischen historischem und Agentenroman.
Und genau das wird ihm teilweise vorgeworfen: Zu wenig Hintergrundwissen, zu wenig gesellschaftliche Darstellung, Perspektive, kein Aufzeigen der allgemeinen Lebensverhältnisse. Alles Ansprüche an einen historischen Roman. Aber auch an einen Spionage- beziehnungsweise Agentenroman? Auch ich muss zugeben, dass ich gegen Hälfte der Lektüre entnervt in den Raum fragte, was das eigentlich solle. Das könne man doch alles besser machen. Die ausführliche Erzählweise, die Pérez-Reverte an den Tag legt, ist dem historischen Roman geschuldet, ohne jedoch inhaltlich tiefer gehen zu können. Wie auch? Der Protagonist ist ein Spion, ein Agent! Er besitzt kein normales Leben, mit Freunden, mit Familie, die nach einem erfolgreich durchgeführten Auftrag zu Hause auf ihn wartet. Er hat keine Anknüpfungspunkte an das gesellschaftliche Leben jedweder Schicht. Er ist und bleibt komplett außen vor und genau so muss es sein, damit er seine Aufträge erfüllen, selbst am Leben bleiben kann.
Und genau das arbeitet Pérez-Reverte anhand des (inneren) Konflikts ab, mit dem Falcó in Ausübung seines Auftrages konfrontiert wird. Plötzlich sieht sich Falcó Beziehungen gegenüber, die er als pragmatischer Kopfmensch und aufgrund seines Berufes sonst nicht eingehen will, nicht eingehen darf und kann. Doch ganz so einfach bleibt es nicht und plötzlich gewinnen Protagonist und Roman an Tiefe, an Dimension, die mich gespannt darauf warten lassen, wie es wohl weitergehen wird mit Falcó und dem sich frisch zum Erzfeind gemachten Lisardo Queralt, dessen Grinsen aus einem unabhängigen Söldner einen loyalen Lebensretter machte.
Was die Hintergründe zum Spanischen Bürgerkrieg angeht: 1936, das Jahr in dem diese Reihe einsteigt, fällt erst der Startschuss dazu. Er wird bis 1939 dauern und die Allianzen, die es hier historisch zu durchleuchten gibt, könnten durchaus Stoff für die folgenden Bände um Lorenzo Falcó geben. Etwas Luft nach oben mag für den ersten Band einer Reihe nichts Schlechtes bedeuten.Und wer Genaueres zum Bürgerkrieg und dessen Konsequenzen erfahren will, der greife zu einem Geschichtsbuch, das die vielen Verstrickungen der damaligen Zeit im Detail beleuchtet. Nebenbei bemerkt, basieren die Vorgänge, die in Der Preis, den man zahlt geschildert werden, auf realen Ereignissen.
»In zwei Wochen herrscht wieder Normalität, soweit möglich … Zumindest, was dich betrifft. Es kommen Deutsche und Italiener in hellen Scharen, aber die Roten halten sich tapfer. Sie haben ihre internationalen Brigaden und die Sowjets im Rücken.« Auch Falcó war aufgestanden. Er setzte den Hut auf. »Das wird ein langer Krieg, nicht wahr?« »Ein sehr langer. Und dich werde ich weiterhin brauchen. …«
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe: 10. September 2017
- Verlag: Insel Verlag
- ISBN: 978-3-458-17719-7
- Gebunden: 295 Seiten
Das Zitat stammt von Seite 293