Intellektuelle Legitimation und Absolution für adulte Comicliebhaber bietet Dietmar Daths in der Reihe Reclam 100 Seiten erschienenes Essay Superhelden.
Derselbe deutsche Autor, dessen verschwurbelter, aber dennoch vermutlich grandios konzipierter Intellektuellen SciFI Die Abschaffung der Arten, immer noch halb gelesen den Stapel noch abzuarbeitender Bücher neben meiner Schlafstätte schmückt.
Erfreulicherweise – wohl aus Rücksicht auf die zarten Seelen der Comic Romantiker – liest sich Superhelden angenehm leicht, informativ , spannend und unterhaltsam. Und es gibt Bilder. ;-)Dath schwadroniert nicht, sondern interpretiert. Hochkarätig, wie nicht anders zu erwarten, und witzig. Er erklärt die Anziehungskraft der Superhelden auf Kinder und Jugendliche, berichtet „wie sie wurden was sie sind“ und führt den Leser „von der Romantik zur Science Fantasy“ .
Seine Erklärung der Aufhebung des Unglaubens – notwendig um Comics jedweder Form goutieren zu können – und die Unterschiede zum religiösen Glauben illustriert er charmant durch den Ausspruch des amerikanischen Komikers Patton Oswalt, der die Bibel und Green Lantern als Beispiel heranzog, als christliche Eiferer sich gegen das Heirats- und Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ins Zeug legten:
„Euer Argument gegen neue Gesetze ist offenbar, dass Gott keine Homosexuellen mag, was ihr, so erklärt ihr uns, in der Bibel gelesen habt. So schön das nun sein mag, dass ihr immerhin ein Buch mögt – keine Selbstverständlichkeit in unserer Zeit des sich schleichend ausweitenden Analphabetismus -, so wenig könnt ihr eure Forderungen mit dieser Begründung politisch geltend machen. Denn ich kann ja schließlich auch nicht zum Weißen Haus spazieren und vom Präsidenten verlangen: Ich will einen Ring, der meine Willenskraft in wirkliche Dinge verwandelt, denn Green Lantern hat so einen, das habe ich in einem Comicheft gelesen.“
Dath geht an die Ursprünge der Comics das Silver Age, Golden Age, die weltbekannten Verlage, um im zweiten Teil: „Wer sie sind und was sie können“ Iron Man zu einer Figur die der klassischen griechischen Tragödie – nur der Chorus fehlt, man kann aber stattdessen die Filmmusik verwenden – entsprungen ist zuzuordnen. Seine Interpretationen der Helden sollten sich Fans keinesfalls entgehen lassen.
Bei der Infografik zur „Geschlechterverteilung der großen Superheldenverlage“ ist erfreulicherweise zu bemerken – Achtung von mir geschätzt und geglaubt, nicht überprüft, potentielle Fake News Warnung, bin für Verifizierung dankbar -, dass es deutlich mehr SuperheldInnen als VorständInnen börsennotierter Unternehmen weltweit gibt.
In einer kurzen Erwähnung findet man auch Michael Chabons großartigen Roman Kavalier & Clay ( ein must have nicht nur für Comicliebhaber), der sich, unter anderem, mit der Thematik der Ursprünge der Superheldencomics beschäftigt.
Dath untersucht auch den „sterblichen Beistand: mit wem Übermenschen befreundet sind“ und kommt zu einem interessanten Schluß. Auch die „besten der Bösen“, die Superschurken beleuchtet und untersucht er, am Ende vermutet er, dass die Superhelden sich wie gewohnt weiterentwickeln und neu erfinden werden. Man darf gespannt sein.
Fazit:
Begeisterung und Lesegenuß gepaart mit Erkenntnisgewinn. Mein erstes Büchlein der 100 Seiten Reihe von Reclam wird nach diesem fulminanten Einstieg sicher nicht lange alleine im häuslichen Regal in Griffweite stehen. Shakespeare und Asterix sind auch verfügbar 😉
Buchdetails
- Erscheinungsdatum Erstausgabe : September 2016
- Verlag : Reclam, Philipp
- ISBN: 9783150204207
- Flexibler Einband 100 Seiten