Mörderisches Istrien

Denis Scheck bezeichnete 2014 auf der Leipziger Buchmesse in seiner Sendung Druckfrisch den Regionalkrimi als „das schlimmste der deutschsprachigen Literatur – die Kloake der Genres“. Manchmal bzw. immer öfter hat er bedauerlicherweise Recht.

Warum tue ich mir trotzdem hin und wieder ein derartiges Werk an? Weil man erstens überraschenderweise manchmal echte Perlen aus diesen regionalen Abwasserkanälen fischt und zweitens, wenn man die Gegend kennt, auch viele neue Tourismustipps bekommt. Dieser Roman hat sich durch den Klappentext auch noch zusätzlich als eine etwas tiefgründigere Geschichte präsentiert: Ein Regionalkrimi aus dem wunderschönen Istrien in der Gegend um Rovinj und als Hintergrund der Krimihandlung die Gräuel des Balkankrieges. Das klang nach einer spannenden Mischung.


Erhalten habe ich einen sprachlich einigermaßen solide gemachten Roman mit liebevoll entwickelten konsistenten Figuren, sehr wenige Tourismustipps, einen Krimifall, der bedauerlicherweise sehr durchschaubar war und nur marginal in die Geschichte eingebaute Kriegsimplikationen und platte Klischees (ein brutaler ehemaliger Kriegsverbrecher, der wieder obenauf schwimmt und eine vergewaltigte Frau). Alles, was die Hauptakteure sonst noch zum Balkankrieg beitragen, ist der gebetsmühlenartig wiederholte Satz „Den Konflikt hätte man auch anders lösen können“. Ansonsten fällt der Autorin dazu leider nichts Zusätzliches ein. Keine tiefere philosophische Auseinandersetzung irgendeiner Figur mit dem Krieg, keine weitergehende Verwicklung mehrerer Ethnien, da hätte es enorm viel Potenzial gegeben, das ich mir vorstellen könnte. Fast scheint es so, dass sich die kroatische Schriftstellerin davor drückt, irgendjemandem nur im entferntesten auf die Zehen zu treten und Stellung zu beziehen und deshalb ist die Geschichte gar so neutral fabuliert. Leider macht man sich mit politisch korrektem neutralem Statement zwar viele Freunde im Leben, in der Literatur ist es aber nur langweilig. Hier wäre mehr Mut gefordert gewesen!

Ein weiterer sehr persönlicher Ärgerfaktor ist für mich die Verknüpfung von romantischer Frauenliteratur mit dem Genre Krimi. Wenn das auch bei einigen im weiblichen Zielpublikum sehr gut ankommt, drehen sich bei mir in diesem Fall immer die Zehennägel auf, wenn der verwitwete Kommissar schmachtend und lüstern zwischen der Femme fatal und der Nachbarin durch die Geschichte stolpert. Bianca Plot bzw. -rhetorik und Mord & Totschlag. Wäh!!!! Ich sollte mir ins Stammbuch schreiben, entweder gar keine weiblichen Kriminalschriftstellerinnen mehr zu lesen (was sehr bedauerlich wäre), oder es wird nun endlich auf breiter Ebene die Kategorie Romantischer Krimi eingeführt, um die ich dann einen weiten Bogen machen könnte.

Fazit: Mediokre leichte, seichte Krimiunterhaltung für die vom Verlag anvisierte Zielgruppe der Frauen mit Romantikaffinität

Ein Feedback möchte ich dem Verlag noch mit auf den Weg geben: Wenn ein Taschenbuch sich beim ersten Lesen bereits in seine Einzelteile zerlegt, ist es leider das Geld nicht wert. Die Buchbindung ist katastrophal!!

Buchdetails:

  • Aktuelle Ausgabe : 1. Juli 2015
  • Verlag : Wieser
  • ISBN: 978-3-99029-157-3
  • Taschenbuch : 231 Seiten

2 Gedanken zu “Mörderisches Istrien

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