Eine Gemeinschaftsrezension von Rallus und Thursdaynext mit freundlicher Unterstützung von Bri
„Jessas, dachte sie, krimineller Anarchismus muss ja eine langweilige Arbeit sein“
Nicht mit der Monkey Wrench Gang.
Bei dieser ökoanarchistischen, aussergewöhnlichen, zutiefst amerikanischen 70er Jahre Bonnie und Clyde Geschichte mit absoluter Aktualität gilt :
„Nur die Harten kommen in den Garten“
Im tiefsten Südwesten Amerikas nahe der Staatsgrenzen von Utah und Arizona steht ein Monument des Unfriedens. Unfriedens für alle die die freie Natur lieben, die reine Luft und den wildfliessenden Fluss. Das Übel ist der Glen-Canyon Dam eine Staumauer die den Colorado River anstaut und den Lake Powell zum zweitgrößten Stausee der USA macht. Bei einer Touristenfahrt im unteren Colorado River treffen sich unsere 4 Freunde und eine Idee wird geboren, welche, pragmatisch amerikanisch eben, sogleich in Aktion mündet. Bewaffnet mit einer inneren Wut, einem Drang der Natur ihrem Recht zu verhelfen machen sich die 4 Idealisten auf den Weg die amerikanischen kapitalistischen Naturzerstörer aufzuhalten.
Dabei darf aber NIEMALS ein Mensch zu Schaden kommen, soviel Umsicht muss sein!
Wichtigstes Werkzeug hierzu, abgesehen von vier unterschiedlichen Motiven, die sich in einer gemeinsame Überzeugung der gezielten Sabotage wiederfinden: der Universalschraubenschlüssel und viel Sand! Mit diesen bewaffnet versucht die Gang den Lauf der Dinge umzudrehen und auch ein wenig ihre eigenen Problemen zu entfliehen. Gewaltfrei und effektiv zu bleiben ist dabei gar nicht so einfach, besonders mit einem vietkongerfahrenen Waffennarren. Zweifel am Tun bleiben da nicht aus.
„In der Stille der Wüste, unter einem sternenübersäten Himmel, der von den ersten Strahlen einer schnell ziehenden Sonne gefärbt wurde, starrten sie – drei kleine, schwache, ängstliche Sterbliche – einander an. Noch immer Zeit, dachte sie, noch –immer Zeit dachten sie alle. … Noch immer Zeit für nüchterne Gedanken, für Ordnung, Schicklichkeit, gesunden Menschenverstand; für alles was gut und sicher und anständig ist, um Himmels willen!“
Gerade die bunte Mischung amerikanischer Charaktere ihre Überspitzung und die umwerfende Komik machen den besonderen Charme dieses Buches aus. Die Hauptfiguren entwickeln sich paralell zur Geschichte mit ihr und wer gute Dialoge und teils derben Witz zu schätzen weiß, wird sie ebenso lieben lernen wie wir.
Bonnie Abbzug, die einzige Frau der Gang hat es auch nicht immer leicht.
„Ein Mann allein kann ja manchmal ziemlich blöd sein, aber was die richtige, waschechte Dummheit betrifft, da ist wohl die Arbeit im Team unschlagbar“
„Die Hoffnung sprudelt ewiglich – in männlichen Keimdrüsen“, davon sind auch Seldom See Smith – abgeleitet von seinem seltenen Auftauchen bei seinen drei Ehefrauen und bekennender R-Mormone – und Hayduke betroffen.
Die männlichen Träume von Doc ähneln Crumbs Frauenbild und Hayduke erscheint als eine Mischung aus Bukowski und Crumb, mit seinem tierischen Trieb und dem glorifizierten Alkoholismus. Bonnie kommt mit ihren männlichen Gang-Kollegen dennoch bestens zurecht, weiß sie zu nehmen.
Man spürt und atmet die Liebe des Autors zu dieser ganz besonderen Flora und Fauna die er mit viel Sachkenntnis dergestalt beschreibt, dass man sich in die Wüste hineinversetzt fühlt. Man atmet die Luft, spürt die Hitze,den Duft des Salbeis und kreist wie ein philosophischer Geier über dem Geschehen, so wie es die Geier des Canyon zuweilen bei der Arbeit der Gang tun.
Seine Figuren – selbst die Gegenspieler wie Bischof Love (!) – agieren aus purer Leidenschaft und weil sie von ihrem Tun überzeugt sind. Abbey läßt uns an dem Innenleben seiner Figuren teilhaben und so entsteht ein plastisches Bild auch des Amerikas der 70er Jahre. Fast überzeichnet er die Darstellung all der Maschinen, des Fuhrparkes die in den „Genuss“ des Universalschlüssels kommen und danach ächzend, schnaufend und zitternd ihr Leben aushauchen, die Kolben verschmelzen und wie in einem Herzinfarkt auf den Boden sinken. Komplementiert wird die Gang durch die (leider zu wenigen) Zeichnungen des Untergrundzeichners Robert Crumb, mit dem Abbey eng zusammen gearbeitet hat.
Ein durch und durch amerikanisches Buch das zu Recht nach seinem Erscheinen 1975 zum Kultbuch wurde, aber in den vielen Jahren nicht an Aktualität eingebüßt hat.
Volle Punktzahl, beim Lesen ist dann doch öfters die Faust nach oben ausgerutscht: „YIAAAHHHH“ und der Drang mitzusabotieren wurde nur von der fesselnden Lektüre behindert die gegen Ende keinen Lesestopp mehr zuließ.
Wie schon Günter Eich sagte:
„Nein, schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid mißtrauisch gegen ihre Macht,
die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen!
Wacht darüber, daß eure Herzen nicht leer sind,
wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird!
Tut das Unnütze, singt die Lieder,
die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt“
Ein Buch welches unsere Herzen gefüllt hat!
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 1.September 2010
- Verlag : Walde + Graf
- ISBN: 978-3-8493-0020-3
- Gebunden Ausgabe : 470 Seiten