Irgendwie anders und doch ähnlich
2025 – ein Jahr von dem wir uns alle Entspannung und Entwarnung auf vielen Ebenen gewünscht hätten, neigt sich dem Ende zu. Das Leben, der Alltag forden ihren Tribut und so findet ihr in diesem Jahr hier nurmehr die Highfives von vier der üblichen Verdächtigen. Unsere liebe Awogfli hat viel zu tun und sich deshalb hier zunächst einmal ausgeklinkt. Wir anderen – ihr habt es bemerkt – hatten so unsere Phasen, in denen wir entweder nicht gelesen oder nicht geschrieben haben. Bri hat so einiges gelesen, was sie irgendwie noch nicht hier vorstellen konnte, es fehlte die Zeit und tatsächlich auch die Konzentration. Teilweise war es auch die Frage: Ist das wirklich wichtig, was wir hier versuchen?, die uns innehalten ließ. Thursday hat viel gelesen, von dem sie denkt, dass es für diesen Blog zu abseitig wäre, daslesendesatzzeichen hat uns immer wieder, arbeitet sie doch auch in einer Buchhandlung, auf neuen Lesestoff gebracht und Geruede hat viel Zeit und Können in ein eigenes literarisches Projekt gesteckt, dass noch die richtige Unterstützung sucht, um in die Welt entlassen zur werden. Und so finden wir uns zum Jahresende wieder hier versammelt und dachten, es wäre einfacher, fünf Perlen herauszupicken, die uns über die Maßen begeistert haben. Doch weit gefehlt, weniger gelesen heißt nicht unbedingt, dass weniger Gutes dabei war. Die alljährliche Frage nach eurer Verbindung zum Thema Buch im Jahr 2025 findet sich abr natürlich auch wiedr hier. Wir freuen uns auf Kommentare, danken herzlich für eure treue Gefolgschaft und wünschen euch einen guten Start in ein gesundes, positives Jahr 2026!
Bri
Drei Tage im Juni von Anne Tyler
Drei Tage muss Gail mit ihrem Exmann Max kurz vor der Hochzeit ihrer gemeinsamen Tochter verbringen. Eigentlich war es anders geplant, doch nun müssen die beiden so reibungslos wie möglich miteinander klar kommen und obwohl Gail das nie vermutet hätte, klappt das Bestens. Tyler gelingt es auch in diesem Roman wieder hervorragend, die Komplexität von Menschen und ihren Beziehungen zueinander aufzufächern. Der mir so bekannte Tyler Sound hat mich auch dieses Mal wieder eingefangen und sehr glücklich zurückgelassen – ein Buch, bei dem ich immer wieder an unsere Bücherelfe denken musste, die es leider nicht mehr mit uns gemeinsam lesen konnte.
Der Gott des Waldes von Liz Moore
Ein Pageturner erster Güte – einmal angefangen, konnte ich ihn nicht mehr aus der Hand legen. Sowohl als Buch, als auch als Hörbuch ein Hochgenuss mit absolutem Tiefgang, schildert Moore doch die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1970er Jahre in den USA ungemein genau. Dabei gelingt ihr ein spannender Thriller, der so ganz nebenbei Gesellschaftskritik übt, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. Absolutes Lesevergnügen der Spitzenklasse. Auch als Hörbuch ein wahrer Genuß.
Frühjahrskollektion von Christine Koschmieder
Hätte Christine Koschmieder beim Bachmannpreis 2024 einen etwas anderen Ausschnitt aus diesem großartigen Roman gelesen, hätte das durchaus Einfluss auf die Preisvergabe haben können. Doch was nützt ein hätte? Natürlich nichts. Dieser Roman ist dermaßen klug konstruiert, fundiert recherchiert und eloquent authentisch umgesetzt, dass er mich völlig aus den Socken gehauen hat und ich deswegen will, dass er gekauft und gelesen wird – und das ganz oft. Koschmieder webt hier ein ganz besonderes Stück Buch-Stoff, das ihr euch nicht entgehen lassen solltet. Ein Faible für Mode braucht man nicht unbedingt, um dieses auch noch äußerlich so elegant gestaltete Kleinod genießen zu können.
Atmosphere von Taylor Jenkins Reid
Jenkins Reid kann eines verdammt gut: fesselnd schreiben. Wenn von ihr etwas Neues erscheint, dann ist mir die Thematik meist egal, weil ich weiß, dass sie mich durch ihren Stil, der doch immer wieder anders und an die Thematik bzw. die Figuren ihrer Geschichte angepasst ist, überzeugen wird. Auch dieses Mal hat sie es wieder geschafft. Ich habe viel über Astronomie und Astrophysik gelernt und das in der besten Weise, die es gibt: extrem gut unterhalten.
Deep Cuts von Holly Brickley
Nicht wirklich mein absolutes Beuteschema, geht es doch um eine Coming of Age Geschichte, derer es eben viele gibt. Doch der Verbindung mit Musik, genauer mit einzelnen Songs und deren Einfluß auf uns, konnte ich nicht widerstehen. Auch wenn die Songs selbst nicht meine Deep Cuts waren, so habe ich mich hörend so sehr auf dieses intensiv vorgetragene und dadurch interpretierte Buch einlassen können, dass ich der Geschichte quasi verfallen bin. Oder vielleicht bin ich einfach der Vortragskunst von Nora Schulte verfallen, die mir die von ihr so einzigartig gelesenen Figuren sogar in meine Träume schickte.
daslesendesatzzeichen
Da wo ich dich sehen kann von Jasmin Schreiber
Ein Buch über das Leben einer Familie, nachdem die Mutter vom Vater ermordet wurde. In dieser Geschichte wird das größte Opfer des Dramas, die kleine Tochter, ins Zentrum gerückt und die „Nebenopfer“, nämlich die beste Freundin der Ermordeten und die Eltern.
Hier ist kein Platz für den Täter. Traut Euch, lest dieses Buch! Ihr braucht Taschentücher, keine Frage – aber je mehr Frauen lesen, dass sie nicht alleine sind, dass sie klug, schön, souverän und eloquent sein können und trotzdem in eine ungesunde Partnerschaft gerutscht sein können, umso besser!
Für Polina von Takis Würger
Dieses Buch ist eine Wucht! Man lacht, man weint und ist verliebt in alles und alle, die hier in dieser Liebesgeschichte versammelt sind.
Mit Eleganz und einer unendlich großen Liebe für die Nebenfiguren schreibt sich Takis Würger mit diesem Buch in die Herzen aller Lesenden und in die allererste Reihe der zeitgenössischen Autoren.
Wir dachten, wir könnten fliegen herausgegeben von Matthias Jügler
Dieser wunderschöne Titel hat mich mit seinem herrlichen Cover sofort für sich vereinnahmt ! Er versammelt 19 wunderbare Geschichten namhafter Autoren wie Alex Capus, Kim de l’Horizon, Julia Schoch, Iris Wolff oder Caro Wahl. Sie alle schreiben über ausgestorbene Arten. Findet Ihr, das klingt langweilig? Ich verspreche Euch, dieses Buch hier ist alles andere als dröge.
Wenn Du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten von Anna Maschik
Das jüngste Glied in der Generationenkette, die im Hier und Jetzt lebende Urenkelin Alma, erzählt auf originelle Weise, sehr verknappt, schnörkellos und nüchtern von den Familienbanden seit Urgroßmutter Henrike selbst ein kleines Mädchen war. Vom wenig zimperlichen Umgang miteinander wird da berichtet, von ungleichen Geschwistern, Hausschlachtung, Krieg und Flucht und vom großen Finale, das am Ende eines jeden Lebens steht.
Im Schnee von Tommie Goerz
Ein Dorf, wie es sie zuhauf gibt, das idyllisch aus der Ferne wirkt, aber auch nur aus der Ferne. Voller Härte, Sprachlosigkeit, mangelnder Empathie, aber auch voller stillem Einverständnis, anpackender Herzlichkeit, rauen Zusammenhalts. Wo Gefühle natürlich existieren, genau wie überall, aber wo nicht über sie gesprochen wird – schon gar nicht, wenn es welche sind, die keiner verstehen würde.
Und wo eben auch gestorben wird und wo man dann kurz innehält und dann wieder weitermacht. Weil so etwas eben dazugehört.
Ein klassischer, erdiger, ländlicher Roman vor der winterlichen Kulisse Bayerns.
Geruede
Das Licht von T.C. Boyle
Sehr fundiert setzt sich Boyle hier mit Timothy Leary und dessen sogenannten LSD Experimenten auseinander und schafft damit einen genauen und interessanten Spiegel der 60er / 70er Jahre der amerikanischen Gesellschaft und deren Gegensätze. Er zeigt die Unzulänglichkeiten der Menschen im Umgang mit LSD vielschichtig auf und lässt der Sprengkraft der Substanz vollen Raum.
Das gläserne Paradies von Angelika Mechtel
Ein wichtiges Puzzleteil zum Verständnis der Republik. Mechtel gießt alles in wahre Literatur: Das sich Schönreden des Lebens nach den furchtbaren Kriegsjahren, die Erwartungshaltungen Kindern und Enkeln gegenüber, Kunst und Kultur werden gefeiert, aber bitte lasst die Dinge, die sie ansprechen nicht ins wahre Leben. Man zeigt sich glücklich und erfolgreich, zivilisiert und kultiviert. Wer nicht mit macht, der kriegt Ärger. Und fast ausnahmslos alle Figuren sind schräg. Ein grandioser Roman, der zu Recht wieder entdeckt wurde. Klug, eloquent, austariert. LEST DIESES BUCH.
Sturm von George R. Stewart
Die Blaupause für jedweden Katastrophenfilm der Moderne, denn es stammt aus den 1940er Jahren. Stewart erklärt sehr fundiert physikalische Abläufe und das auch noch unterhaltsam, indem er aufzeigt, was es heißt, nicht jede Minute über eine App Zugriff auf Wetterdaten zu haben. Ein Sturmereignis, dem sich verschiedene Menschen stellen müssen, ist das zentrale Thema. Ein Buch, das Menschen lesen sollten, die nicht an Wolken glauben. Aber natürlich auch alle anderen.
Ned Myers oder ein Leben vor dem Mast von James Fenimore Cooper
Eine Abenteuergeschichte par excellence aus dem Zeitalter der Segelschiffe. Faszinierend, amüsant und gruselig. Ned Myers bei seinen Abenteuern auf unterschiedlichen Schiffen rund um den Globus zu begleiten ist ein lehrreichesVergnügen und gleichzeitig ein Augenöffner. Bei aller Liebe zur Segelschifffahrt, ist man nach der Lektüre froh, dass man nicht zu dieser Zeit und auf diesen Schiffen Dienst leisten musste. Unsere Seebestattung wäre wohl nach einer Woche fällig.
Rungholt von Ann-Kathrin Wasle
Eine stimmungsvolle Komposition, eine bereichernde Variante zur Rungholt-Sage. Durch magischen Realismus schafft die Autorin die Verbindung zweier Zeitebenen, die circa 550 Jahre auseinander liegen. Es hat sich gelohnt, dass die Autorin ihre eigene Version in den Eigenverlag gebracht hat, nachdem die deutsche Verlagslandschaft diese nicht zu ihrer Zufriedenheit realisieren konnte.
Thursdaynext
2025 war für mich ein extrem von Eskapismus geprägtes Lesejahr. Lesen sollte nur noch Genuss sein, fern jeglicher Anstrengung, keine Dystopien, nichts was an die unappetitliche weltpolitische Gegenwart erinnert. Mit wenigen Ausnahmen genehmigte ich mir lesetechnisch Hedonismus pur. Zeit war ebenfalls eine knappe Ressource und dennoch sind wieder etliche Highlights in diesem Jahr zusammengekommen.
So viele, dass ich noch eine eigene Eskapismus Liste bestehend aus Fantasy und Science – Fiction angefertigt habe.
Weil da war etwas im Wasser von Luca Kieser
Luca Kieser hat für mich das beste Buch des Jahres geschrieben, zwar bereits 2023 aber diese unverschämt gut erzählte abgefahrene Geschichte ist ganz sicher noch viele Jahre topaktuell.
Die Unbehausten von Barbara Kingsolver
Spielt zwar noch vor Trumps erster Präsidentschaft, erfasst dabei aber die sich mittlerweile immer weiter zuspitzenden prekären Lebensbedingungen der gebildeten Mittelschicht, die die übriggebliebenen Demokratien weltweit bedrohen, denn die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich zusehends, immer mehr Menschen verarmen, um die Ultrareichen noch reicher werden zu lassen. Kingsolver erzählt ihre Familiengeschichte dabei mit Charme und Humor und switcht gekonnt zwischen den Zeiten, dass es trotz ernster Thematik ein pures Vergnügen ist.
Das Fest von Lucy Fricke
war mir ein selbiges. Vergnüglich locker und doch tiefgründig und beobachtungssicher erzählt.
Die Hummerfrauen von Beatrix Gerstberger
Dieses Debüt hat mich tief berührt und es war nicht möglich diesen Roman über Frauen, Freundschaft, Solidarität und Liebe in verschiedensten Facetten aus der Hand zu legen.
Marianengraben von Jasmin Schreiber
Bereits vor fünf Jahren veröffentlicht: Ein Roman für alle Menschen, die sich mit einem Verlust und der Trauer auseinandersetzen müssen. Es ist schön, es schmerzt, es ist witzig und unverzichtbar.
Die fünf Eskapismusschätzchen des Jahres 2025
The Brigth Sword von Lev Grossmann
Hat den verdienten ersten Platz. Eine fulminante, großartig fabulierende Artussaga die eine unglaubliche Bereicherung dieses Segments darstellt. Es gibt nicht wenige Artuserzählungen, aber „The Bright Sword“ darf man nicht verpassen, weil es Randfiguren so liebevoll, akribisch und fiebrig erzählt, dass man um jede der vielen Seiten dieses Romans froh ist. Es geht nicht primär um Artus, es ist sein Narrativ einer besseren Welt, die erreichbar ist und letztendlich um das Chaos, die Hoffnungslosigkeit und die Dunkelheit in das diese Welt nach seinem Tod verfällt und die Tafelritter, die versuchen, sich diesem entgegenzustellen … eine Geschichte die unserer Zeit sehr ähnelt.
Das Ministerium der Zeit von Kaliane Bradley
vereint fantastische Elemente mit Vergangenheit und Zukunft. Liebesgeschichte mit Historie, und atmet einen Hauch 1984.
Water Moon von Samatha Sotto Yambao
wunderschön, magisch und voller Lebensklugheit und Liebe. Wellness mit Niveau und Zauber in japanischer Kultur und Setting. Love & Peace Lektüre die in andere Welten entführt und dabei doch immer Pragmatismus ausstrahlt ;)
Kerze & Krähe von Kevin Hearne
Der Abschluss der Siegelmagiersaga ist rundum gelungen.
Water Witch von Molly O’Neill
„Ursula und das V-Team“ von C.K. Mc Donnell wäre eigentlich wegen seiner rasanten Komik und Action auf Platz 5 gelandet, dann kam mir aber kurz vor Ende des Jahres noch „Water Witch“ von Molly O’Neill unter und dieser Roman einer Freundschaft zwischen Jenny Greenteeth dem uralten, mystisch keltischen Wassermonster und einer jungen Frau und Mutter, die als Hexe verfolgt wird, ist so spannend, herzerwärmend, gruselig, voller Witz und Charme und so gekonnt erzählt, dass ich nach diesem Debüt noch auf viele weitere Romane der Autorin hoffe. Eine derart ambivalente Heldin, erzählt mit solcher Fabulierlust und Kreativität in einer atemberaubenden magischen Geschichte ist mir bisher noch nie untergekommen. Shakespearsche Qualitäten, abzüglich der Reime, sind hier zu finden. Ein ganz großes Leseerlebnis ohne Romanzengetüddel, einfach nur großartige Fantasy.




















