Kaleb Erdmann hat mit diesem Buch den Versuch unternommen, von unterschiedlichsten Seiten zu beleuchten, was nach dem Erfurter Amoklauf für viele Menschen zum neuen Alltag wurde. Für die gesamte Stadt, die nach dem Ereignis erschüttert war, aber vor allem für die, die davon direkter betroffen waren.
Er nimmt weder eine Opferrolle ein, noch eine, die anklagt. Er nutzt unterschiedliche Blickwinkel, analysiert hier, erzählt da, schweift ab, ordnet ein, überlegt, trägt zusammen, recherchiert, hinterfragt. Es ist kein voyeuristisches Buch, eher ein Prozess, denn ein Ergebnis, denn: Wie kann man über so ein lebensveränderndes Ereignis schreiben?
Erdmann macht es richtig: Immer klug, nie geschwätzig, immer ehrlich, offenherzig, ohne Nabelschau zu betreiben. Am Ende gibt es kein Ende, denn das Thema ist nie aufgearbeitet, aber ich als Außenstehende habe den Eindruck, dass es Erdmann gelungen ist, diesem Trauma mittels des Buches wieder etwas mehr Boden abgerungen zu haben. Er hat den Horror ein Stück weiter aus seinem Alltag weggeschoben und scheint sich selbst wieder ein Stück emotionaler Unabhängigkeit abgetrutzt zu haben.
Völlig unerwartet für mich ein absolutes Highlight 2025 – ganz egal, ob Erdmann den Deutschen Buchpreis dafür bekommt oder nicht. Auf die Shortlist hat er es jedenfalls, Stand Anfang Oktober, geschafft!
„Die Ausweichschule“ von Kaleb Erdmann ist 2025 als Hardcover im Ullstein Verlag erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

