Joan Goodwin ist Professorin für Astrophysik. Nichts liebt sie mehr, als ihrer Nichte die eigene Leidenschaft für die Sterne und damit den Blick in unsere Vergangenheit näher zu bringen. Allerdings wäre da doch noch etwas, von dem sie träumt: Als eine der ersten Frauen ins All zu fliegen. Als die NASA 1980 das Space-Shuttle-Programm auflegt, für dessen Teilnahme sich auch Frauen bewerben können, springt sie über ihren Schatten und wird, zu ihrem eigenen Erstaunen, in das Trainingsprogramm aufgenommen. Ein Schritt, der sie nicht nur den Sternen sondern auch sich selbst so nah bringen wird, wie sie es nie vermutet hätte …Taylor Jenkins Reid weiß, wie man Geschichten erzählt. Das hat sie in den letzten Jahren mehrfach und eindrücklich unter Beweis gestellt. Auf dem deutschen Buchmarkt hat sie mit dem fiktiven aber an die reale Geschichte der Rockgruppe Fleetwood Mac angelehnten Roman Fuß fassen können und auch mit den folgenden Romanen eine große Fangemeinschaft erreicht. Häufig sind die zentralen Figuren in ihren Romanen Frauen, die sich gegen die in ihrer Zeit vorherrschenden Konventionen einen Weg zur persönlichen Erfüllung bahnen müssen und damit Vorreiterinnen für andere Frauen werden. Auch in Atmosphere muss die Hauptfigur Joan Goodwin gegen gewisse Ressentiments kämpfen. Doch als sie in das Trainingsprogramm für ihren ersten Weltraumflug einsteigt, weiß sie selbst noch nichts davon.
In relativ kurzer Zeit nacheinander habe ich zwei Romane gelesen, die zumindest teilweise im All spielen. Umlaufbahnen von Samantha Harvey ist gänzlich auf einer Weltraumstation angesiedelt, während Atmosphere auch vom Leben vor und nach einem Weltraumflug erzählt. Während in Umlaufbahnen das Setting meiner Meinung nach einzig dem Zweck dient, eine gewisse Distanz aufzubauen und die Veränderung von Sichtweisen der Protagonisten zu den Vorgängen auf der Erde und persönlichen Geschichten zu beschleunigen, bzw. zu verdeutlichen, habe ich in Atmosphere tatsächlich einiges über Astrophysik gelernt. Auch die Engstirnigkeit der NASA bezüglich des Privatlebens Ihrer Angestellten hätte ich in den 1980er Jahren so nicht erwartet. Sobald ruchbar wurde, dass ein Astronaut oder eine Astronautin eine gleichgeschlechtliche Beziehung führen könnte, wurde dieser oder diese auf Herz und Nieren geprüft, um klar zu machen, dass solche Beziehungen nicht geduldet wurden und die Karriere bei der NASA, gleichgültig wie kompetent man seinen Job ausfüllte, damit beendet sein würde.
Goodwin macht sich zunächst keinerlei Gedanken über eine Beziehung zu einem ihrer Kollegen, da das Trainingsprogramm und auch der spätere Job absolutes Vertrauen in die Fähigkeiten und zu den Kolleg*innen bedingt, findet sie sich alsbald trotz der eigentlichen Konkurrenzsituation darum, wer als erste Frau ins All fliegen darf, in einem größeren Freundeskreis wieder. Vor allem dank der Frauen im Team kommt es so trotz der Konkurrenz um die begehrten Plätze im Shuttle zu gegenseitiger Unterstützung. Teambildungsmaßnahmen sind so von außen nicht mehr notwendig. Doch wie man sich denken kann, hat auch Goodwin eine Schwachstelle, ihr Kryptonit kommt aus dem Kreis der neuen Kolleginnen und wird ihr Leben nicht nur in Bezug auf ihre Arbeit völlig verändern.
Jenkins Reid sagt selbst über diesen Roman, dass sie grundsätzlich nur einen interessanten Hintergrund für eine Liebesgeschichte schaffen wollte. Das sollte man, liest man diesen wirklich gut erzählten und unterhaltsam wie fundiert recherchierten Roman, im Hinterkopf haben. Das ein oder andere Mal rauscht sie mit ihrer Liebesgeschichte ganz knapp am Kitsch vorbei, bekommt aber – so finde ich zumindest – noch die Kurve. Dabei hilft sicherlich auch, dass sie sich eingehend über die Rahmenbedingungen eines Weltraumfluges informiert hat und diese in die Geschichte eingebaut hat, ohne gleichzeitig Hürden aufzustellen, die das Lesevergnügen schmälern könnten.
Wer also noch eine süffige Sommerlektüre mit Tiefgang sucht, der oder die dürfte hier bestens aufgehoben sein. Und nicht vergessen: „Wenn man in den Nachthimmel schaut, sieht man Teile dessen, was man einmal war und was man vielleicht eines Tages sein wird.“
Atmosphere von Taylor Jenkins Reid ist gebunden und von Babette Schröder ins Deutsche übertragen im Ullstein Verlag – wie auch ihre anderen ins Deutsche übertragenen Bücher – erschienen. Für mehr Info zum Buch per Doppelklick auf das im Beitrag enthaltene Cover oder direkt auf der Verlagsseite.

Bin begeistert über deinen eighties rock Vergleich. Auf den Punkt! Da hat frau sogar die passende Mucke im Ohr zu. Ja J.R. erzählt süffig und liest sich flugs weg, wobei Atmosphere jetzt weniger Eindruck bei mir hinterlassen hat als Malibu Rising.
Es hat sich gelohnt, eben weil mir gar nicht bewusst war, wie rückschrittlich in den 80 gern noch gedacht wurde, mögen wir nie wieder dahin kommen!
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Liebe Petra, Umlaufbahnen war sehr poetisch, sehr literarisch sozusagen. Eher ein klassisches Stück, wenn man einen musikalischen Vergleich anbringen möchte. Atmosphere ist 80er Jahre Rock 😁. Bin gespannt, wie es Dir gefällt. Bitte berichten. LG
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Liebe Constanze, das ist ja ein Ding. Nunja, es ist schon Unterhaltungsliteratur. Das sollte man nicht vergessen. Aber een sehr gut erzählt. LG
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Ich halte es wie Petra: Das Buch kommt auf die Liste. Danke für den wundervollen Tipp. Ist irgendwie vorbeigerauscht. Viele Grüße
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Muss ich lesen! „Umlaufbahnen“ ist eins meiner Highlights, daher bin ich auf den Vergleich mit Atmosphere gespannt. Danke für den tollen Tipp!
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