Schräge, urkomische Odyssee durch die Wiener Kunstszene

Bistdudeppat was für eine wahnwitzige komplett abgedrehte Geschichte mit Unwahrscheinlichkeitsantrieb, genauso, wie ich es mag. Caspar Orlando Tuppy, (was für eine Figur, sein Namensvetter war mal österreichischer Wissenschaftsminister), ein alternder Künstler aus Wiesbaden stolpert durch das tiefe, einen morbiden Sog entwickelnde, völlig verrückte Wien. Unser Protagonist ist schon eine besondere Type, eitler Intellektueller, alter weißer Mann, mittlerweile ordentlich in der späten Midlifecrisis und auch mangels Engagements in einer beruflichen Krise, früher TV-Kultmoderator, hirnwichsender Kunstkenner, Professor und optisch auch noch auf schneeweiße Dreadlocks gepimpt.

Inmitten seiner Bestrebungen, das Karriereruder noch einmal herumzureißen, wird er von der aufstrebenden Karine Wintertod in die österreichische Hauptstadt eingeladen. Die erfolgreiche feministische Lady ist Literaturwunder, Kabarettistin mit flapsiger Schreibe, politische Aktivistin, die allen mit ihren grenzwertigen Aktionen auf die Zehen tritt, Wiener Original und derzeit total angesagt. Quasi ein Superstar. Naa, wer stand da Pate für die Figur der Wintertod? Genau, Stefanie Sargnagl, ich bin mir soo sicher, dass Du als Role Model für die Protagonistin hergehalten hast. Karine trägt im Gegensatz zu Stefanie keine Barette, sondern Hütchen, verbringt ein genauso konfuses Leben am Rande des ganz normalen Wahnsinns, macht mit einer saufenden Weibergang täglich die österreichische Hauptstadt unsicher und nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Eine liebenswerte, erfolgreiche, rotzfreche, total unorganisierte Chaotin, die gerne feiert und sich treiben lässt.

Tuppy soll für sie einen Text über Marth Breughel, Mutter der Maler-Dynastie verfassen, wobei noch keiner was über diese Frau gehört hat. Unser Protagonist nimmt dieses Angebot begeistert an und taucht in die Welt der aktionistischen Stürmer und Drängerinnen ein. Im Klappentext steht ein Höllenbreughel – ein Höllenspaß, aber der Roman ist meiner Meinung nach noch viel mehr. Er vermittelt in kleinen Exkursen auch Zusatz-Wissen über die holländische Malerfamilie und wie einzelne Bilder entstanden sind und rechnet gnadenlos mit der eitlen österreichischen Kulturschickeria ab. In diesem Zusammenhang hat der Autor mit dem im Roman konstruierten verhunzten Timing, da Caspar Tuppy Karine immer hinterherstolpert, und einige unangenehme Aufgaben für sie zusätzlich erfüllen muss, neben exzessivem Trinken auch noch ständig Anschlussaufträge mit anderen Künstlern, die Katherine kennt, verpasst oder nicht fixieren kann, eine köstliche Komödie geschaffen, wie in Wien und in bestimmten Kreisen wirklich die lukrativen Aufträge vergeben werden.

Das war das Big Picture, aber auch im Detail geben sich die grandiosen Ideen und die total abgedrehten Szenen die Klinke in die Hand. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie mich die Leute im Schwimmbad blöd angeschaut haben, weil ich so irre gekichert habe. Ich möchte hier nur ein paar nennen: Die von Karine geleitete feministische Organisation KKF – Ku-Klux-Fut, die Hermann Nitsch mit Stierhoden übergießt, und Sebastian Kurz ärgert, erinnert mich frappant an Sargnagls Burschenschaft Hysteria. Zwischendurch kämpft der alte Tuppy mit den Tücken von Social Media, verursacht durch Inkompetenz einen Shitstorm, der so eskaliert, dass er von seiner Universität gecäncelt wird. Also auch sehr moderne Themen werden humoristisch großartig und politisch völlig inkorrekt verwurstet. Die besoffene, durch Wien marodierende Weiber-Künstlerpartie wird nicht nur durch unseren Protagonisten und einige bekannte Personen komplettiert, sondern zusätzlich durch zwei Freunde von Tuppy, August und Josefine, die ständig die Hotelzimmer im Hummel mit Gästen und Hunden belegen und Caspar keine Nacht in den Schlaf kommen lassen.

Am Ende ist ein herrlicher, schräger, alkoholgetränkter, moderner breughelianscher Trip durch Wien gelungen, der Kunst, den Kunstbetrieb, feministischen Aktionismus, Saufen, Altern, alte eitle weiße Männer, Generation Y, und vieles andere mehr sprachlich ansprechend so durch einen absurden Kakao zieht, dass es nur so eine Freude ist und die Milchhaut auf dem Getränk – das Finale – ist dann auch noch das Sahnehäubchen.

Fazit: Nix für Jedermann, ich war hingerissen und restlos begeistert, aber ich stehe halt auch auf so irrwitzige Stories mit viel schwarzem Humor und abgedrehten Gschichtln. Von mir eine absolute Leseempfehlung.

Triumph des Scheiterns von Peter Waldeck ist im Verlag Milena als Hardcover erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

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