Der Name Asta Nielsen ist sicherlich noch einigen von euch bekannt. Vielleich tvwisst ihr nicht mehr so genau, wohin ihr die Frau mit diesem deutsch klingenden Namen dänischen Ursprungs verorten sollt, vielleicht habt ihr auch diffus ein Bild von ihr vor Augen, so ging es mir zumindest. Als Autorin kannte ich sie nicht, aber mir war klar, dass sie einer der ersten wirklichen Stars war, damals als die Bilder laufen lernten und mit live Pianomusik im Kino unterlegt wurden. Nun ist Band 15 der von Kat Menschik wunderschön und unverkennbar gestalteten Reihe Illustrierte Lieblingsbücher mit den (laut Verlag) schönsten Geschichten von Asta Nielsen erschienen. Wieder einmal ein Schückstück, ein Regaljuwel. Aber nicht nur wegen des schönen Äußeren …
Wer mit der Ostseeinsel Hiddensee vertraut ist, der oder die kennt Asta Nielsen ganz gewiss. Denn dort besaß sie ein Haus, von Max Taut 1923 erbaut und von ihr liebevoll wegen seines runden Baustils Karusel genannt. Kat Menschik hat eine starke Verbindung zu Hiddensee. Das Asta-Nielsen-Haus, das Nielsen allerdings nach 1935/36 nicht mehr nutzte,weil sie sich mit den Nazis angelegt hatte und Deutschland verließ passt dort sehr gut hin. Sieht man sich das Haus an, dann weiß man sofort, weshalb Menschik die Farben Sand, Rot und Blau (sogar die Schrift ist blau) hat dominieren lassen, die auch typisch für die Ostsse sind. Eine Herzensangelegenheit scheint dieses Buch für Menschik zu sein – ein Glücksfall für uns Leser:innen ist es allemal.
Nielsens Geschichten sind allesamt atmosphärisch – man meint die Hitze des Tages, den Staub der sandigen Wege, den Glamour des Kudamms fürmlich zu spüren, zu schmecken, zu erleben. Mal erzählt sie von ihrer Kindheit, von ihrer Schwester, die ihr vom wenigen Ersparten großmütig eine schmückende Rose für Nielsens neuen Sommerhut schenkt, mal erleben wir eine absurde Reise an den Rand Berlins, dessen Hauptziel, die Blüten einer Kastanie zum Zwecke der malerischen Abbildung zu ergattern, niemals erreicht werden kann. Das Paradies sieht eben für jeden Menschen anders aus und ein Tag in ebendiesem kann für manchen zur Wüstenwanderung werden – die titelgebende Erzählung ist meine liebste. Absurd, klug erzählt, treibt sie die Spannung – wird Nielsen die Kastanienblüte zu Gesicht bekommen? – bis aufs Äußerste und gleichzeitig weiß man doch vom Beginn der Reise an, dass diese ein Reinfall sein muss. Und dennoch oder wahrscheinlich genau deshalb, macht sie ungeheuren Spaß.
In Bohème erzählt Nielsen von niemand geringerem als Joachim Ringelnatz – menschlich schwierig, was er so alles getrieben hat, dennoch richtet ihn Nielsen nicht. Sie wertet seine Taten nicht, aber sie verschweigt auch nichts, dabei kommt ihr keine Entschuldigung für sein Verhalten über die Lippen, weil sie ihn trotz allem mag und schätzt. Als Freund, als Künstler. Was würde man wohl heute über Ringelnatz schreiben? Mir hat sie auf den Menschen hinter dem Künstler erklärt, ohne mir seine Kunst madig zu machen. Wie sehr er Grenzen anderer nicht wahrnahm und wie wenig Nielsen ihm das offensichtlich vorwarf, kann man in ihrem Hiddensee-Tagebuch aus dem Jahr 1929 nachlesen.
War Asta Nielsen schon als Stummfilmstar erstaunlich – ihre Rollen waren nie einfach, sie hielt sich nicht an scheinbare Grenzen und spielte als Frau den Hamlet bravourös – ist sie als Autorin eine wunderbare Entdeckung für mich. Die erste Auflage des Bandes wartet dann auch noch mit einem kleinen Plus auf – eine nicht komplette Erzählung, die eigentlich nicht ins Buch gelangen sollte, schlich sich einfach doch noch mit hinein, was uns Leser:innen eine sehr schöne Postkarte beschert, auf der die Situation erklärt und darauf hingewiesen wird, wo die Erzählung zu Ende gelesen werden kann. Da war wohl der Zauber der Ostsee, Hiddensees oder der Geist von Asta Nielsen am Werk …
Absolute Empfehlung!
Im Paradies von Asta Nielsen, illustriert von Kat Menschik, ist am 05. April 2023 bei Galiani erschienen. Zum Buch gibt es mehrere Veranstalungen – weitere Informationen darüber und über das Buch selbst finden sich auf der Verlagsseite oder per Doppelklick auf das im Beitrag abgebildete Cover.