Birgits Sicht auf die Dinge:
Ich kenne von Bris angesprochenen Büchern nur „About a boy“ und das ist gefühlte hundert Jahre her und ich erinnere mich, dass mir die Verfilmung trotz Hugh Grant nicht so irrsinnig gefallen hat. Oder doch? Hach, alles irgendwie mehrere „Leben“ her.
„Pandatage“ ist herzerwärmend und vernünftiger Lesestoff. Der Plot ist gut durchdacht, die Personen schön skizziert, das Ende ein wenig anders, als ich erwartet hätte (das fand ich gut!) und der Schreibstil flüssig. Trotzdem sprang bei mir lange, lange der Funke nicht über. Zu vorhersehbar, für meinen Geschmack, waren viele der Ereignisse, zu konstruiert manche (durchaus wunderbare) Ideen. Die Idee, den Vater als Nebenjob in ein wenig appetitliches Kostüm zu stecken, das dieser selbst im besten Falle als Panda bezeichnen kann, ist große Klasse. Sie ermöglicht die Begegnung von Vater und Sohn für den Kleinen, der aus Kummer über den Tod der Mutter seinen Mitmenschen gegenüber verstummt ist, ganz vorurteilsfrei und ohne Beschränkungen. Will ahnt nicht, wer sich hinter dieser Maske versteckt, und kann sich durch die Neutralität dieses Wesens öffnen. Dem Vater ermöglicht es, aus seiner Rolle als Beschützer von Will (was er zu seinem Leidwesen nicht besonders gut hinbekommt) heraustreten zu können und in die einer vom Familienunglück unbetroffenen Figur zu schlüpfen. Er kann handeln und urteilen wie ein Außenstehender – das erweitert den Horizont und gibt ihm Freiheiten, die er ohne „Schutzanzug“ nicht hätte.
Konstruiert finde ich es deshalb, weil der Autor, der mit diesem Roman sein Erstling vorlegt, es schaffen muss, dass eine Begegnung zwischen den beiden zustande kommt, um sie in Interaktion treten lassen zu können. Und diese Stelle ist mir zu weit hergeholt. Der Vater will ja eigentlich, dass ihn sein Umfeld und vor allem sein Sohn NIEMALS bei dieser, ihm anfangs äußerst unangenehmen, Arbeit als Straßenkünstler sieht. Aber dann kommt es zu dieser Situation, in der Danny, der Vater, in Pandauniform mitansehen muss, wie sein Sohn gemobbt wird und er springt ihm zur Seite, hilft ihm. Wenig später laufen sie sich wieder über den Weg und Will spricht den Panda-Mann an, um sich nochmals für die Hilfe zu bedanken. Und so beginnt die Kommunikation mit dem Panda, die genau anders herum ist, als alle anderen Arten der Kommunikation, die Will sonst betreibt: Hier nämlich redet ER und der Panda schweigt. Der Panda schreibt seine Antworten nur auf.
Gould-Bourne schreibt schöne Dialoge, findet lustige Sideplots, zum Teil recht haarige, bei denen man um den sympathischen Danny Angst bekommt, doch sie werden aufgelöst – aber auch hier gilt für mich wieder die böse Kritik „auf zu vorhersehbare Weise“.
Was mir aber wirklich gut gefallen hat, waren die Dialoge, die durch den Kniff, Dannys Ex-Arbeitskollegen so manches Mal mit den Fallstricken der englischen Sprache kämpfen zu lassen, auch Sprachwitz enthielten. Besonders gut fand ich die Figur der „Stangentänzerin“ – korrekt übersetzt ist das schon, aber doch sehr gewöhnungsbedürftig – Krystal. Eine junge, selbstbewusste Frau, die sich ihres Jobs nicht schämt. Manche Leser*in hat sich darüber mokiert, dass Krystals Ausdrucksweise zu derb sei, doch das ist schon ein wenig sehr verklemmt. Krystal fand ich richtig knorke und erfrischend.
Dennoch, auch wenn es mich nicht überzeugt hat, „Pandatage“ ist kein schlechtes Buch, keines, wofür ein Autor sich schämen müsste. Ich wäre froh, überhaupt ein solches Werk zu verfassen 😉 Wer also ein nettes Wochenende mit einem netten Buch verbringen möchte, dem sei dies hier ans Herz gelegt.
Möchte jemand ein britisches Buch mit dem – auch hier aufblitzenden – britischen Humor lesen, das einen komplett überzeugt, hineinzieht in die Geschichte, zum Lachen und Weinen, zum Nachdenken und Schmunzeln bringt, dem sei indes das auch hier auf dem Blog besprochene Buch mit dem bescheuerten Titel „Der Klang unserer Herzen“ empfohlen. Was diesem Buch fehlte, war ein guter Titel, ein gutes Cover und ein ähnlich gutes Marketing wie „Pandatage“ es bekommen hat. Dann nämlich wäre „Der Klang unserer Herzen“ in aller Munde.
Für mich, wie auch für Birgit, ein Buch, mit dem man wirklich Spaß haben kann. Manche Szenen empfand ich persönlich als besonders schillernd, sprachlich sogar brilliant ausgearbeitet. Meist waren das Szenen, in denen es um den Verlust von Wills Mutter und Dannys Frau ging, beziehungsweise Rückblenden auf sie und ihr Wesen. Und weil es nicht wirklich leicht ist, Geschichten, die von Melancholie, Verlust und Trauer auch mit einem lachenden Auge zu erzählen und dabei nicht kitschig zu werden, mag ich „Pandatage“ sehr. Auch wenn es kleinere Schwächen hat, die man einem Debütroman meiner Meinung nach doch verzeihen kann. Ich bin gespannt, ob und was wir von James Gould-Bourn in Zukunft noch zu hören beziehungsweise zu lesen bekommen
„Pandatage“ ist im Mai 2020 als HC bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. Für mehr Infos zum Buch per Doppelklick auf das im Beitrag angezeigte Cover oder auf der Verlagsseite.