Jahrelang – und das ist weder gelogen noch übertrieben – bin ich um den Patrick-Melrose-Zyklus von Edward St. Aubyn herumgeschlichen. Geschlichen deshalb, weil ich, gerade seit ich Mutter bin, in Büchern oder Filmen dargestellte Gewalt oder Missbrauch an Kindern nicht ertrage. Ich weiß um die Tatsachen, ich verdränge da nichts. Aber ich möchte eher etwas dazu tun, um solche schrecklichen Geschehnisse, die gerade den Menschen, die sich aufgrund ihres Alters so absolut nicht dagegen wehren können, angetan werden zu verhindern. Nicht in irgendwelchen Krimis oder Thrillern der Spannung wegen darüber lesen.
Der erste Band des Melrose-Zyklus, der ja aus ganzen fünf Büchern besteht und nicht nur die wohl ursprünglich angedachten drei Bände der Hope-Trilogie umfasst, hat aber eben genau das als zentrales Thema: die Auseinandersetzung mit dem als Kind erlittenen Mißbrauch durch den eigenen Vater. Und dieser eine Punkt hielt mich viel zu lange davon ab, mich einer Lektüre zu öffnen, die ein absolutes Muss ist. Edward St. Aubyn habe ich mich erst genähert, als er einen Roman schrieb, der sich mit dem Kulturbetrieb, genauer gesagt der Vergabe des Man-Booker-Prize, in umwerfender, witziger und einleuchtender Weise beschäftigt. Der beste Roman des Jahres sollte gekürt werden und der vierte Band des Melrose – Zyklus, der den Titel Mother’s Milk – Muttermilch trägt, war ein hoffnungsvoller Aspirant.
Schlussendlich lief mir dann in meiner geliebten Mittelpunktbibliothek in Köpenick der zweite Band der Hope-Trilogie mehrfach quasi über den Weg und schrie förmlich danach mitgenommen zu werden. Da St. Aubyn sowohl die Trilogie als auch den Zyklus so angelegt hat, dass man die einzelnen Bände auch ohne Weiteres unabhängig voneinander lesen kann, griff ich zu. Und war komplett überzeugt, im wahrsten Sinn des Wortes angefixt. Großartiger Lesestoff, der letztes Jahr in einer Komplettausgabe, gebunden bei Piper erschien und den ich haben musste. Allerdings dauert das bei mir und bei einem Buch mit ca. 900 Seiten auch so seine Zeit und da ich häufig auch auf Wegen in der Bahn lese, ist dieses Werk ob seines Gewichts nicht gerade geeignet überall mit hingeschleppt zu werden. Aber ab Band drei war klar, dass ich das tun würde, denn die literarische Qualität ist dermaßen aussergewöhnlich, dass ich das Buch doch immer meiner Nähe wissen wollte.
Nun war nur noch das Problem zu lösen, wie man einen solch fulminanten Fünfbänder auch gebührend in Szene setzen kann. Dank eines zwar nicht an mich gerichteten, aber bei mir angekommenen Tipps von Katharina Hermann von 54books kam die zündende Idee, euch immer wieder, quasi häppchenweise an meinem Leseerlebnis teilhaben zu lassen. Und so ist dies hier nur der Anfang einer längeren Geschichte, der ihr wenn ihr mögt, gerne folgen könnt. Ich hoffe auf viele Menschen, die ich für diesen außergewöhnlichen Zyklus und den außergewöhnlichen Menschen, der dahintersteht, begeistern kann. Denn anders als Knausgård versteht es Edward St. Aubyn, die Hosen runterzulassen ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist mal wahre Kunst für mich.
Ich hoffe, ich habe euch ein wenig neugierig gemacht und ihr habt Spaß an diesem Experiment.
na dann musst Du noch ein paar Mal vorbeikommen – ich werde jedem Buch die ihm gebührende Aufmerksamkeit in einer eigenen Besprechung zukommen lassen 😉 LG
LikeGefällt 1 Person
Aus deinen angeführten Argumenten hätte ich das Buch auch nicht in die Hand genommen. ABER du schriebst mit so viel Begeisterung davon, dass ich jetzt doch einen Blick ins Buch wagen werde. Vielen Dank!
LikeGefällt 1 Person
Vor Jahren gelesen. Super!
LikeGefällt 1 Person