Saufen, Schlagen, F*****

pbEin gut überlegtes Vorgehen ist eines der wichtigsten Dinge beim Billardspielen, und das Fehlen einer Strategie zum Abräumen der Kugeln einer der häufigsten Anfängerfehler.

Genau diesen Fehler macht die Hauptperson in Declan Burkes Krimi „Eight Ball Boogie“, der Privatdetektiv und Gelegenheits-Reporter Harry Rigby. Und nicht immer ist klar, ob er in dieser Geschichte über einen ungelösten Familienstreit, Korruption und Bestechlichkeit eher der Queue oder doch nur eine Kugel ist.

Mit der Geschwindigkeit der weißen Kugel vor dem ersten Kontakt mit der Bande oder einer anderen Kugel beginnt die Geschichte. Der brutale Mord an Imelda Sheridan als Ausgangspunkt dieser irischen Intrigen-Erzählung ist in den ersten fünf Sätzen erzählt.

Ein Mord, den Harry Rigby dankbar als Story annimmt um für ein paar Pfund einen Artikel über die Tat und mögliche Hintergründe zu schreiben. Dankbar auch, weil sein Zustand Ablenkung gut gebrauchen kann:

„Meine Augen waren verklebt, mein Magen verkorkst, mein Schädel vibrierte wie ein straff gespanntes Seil. Im Zimmer stank es nach Mundgeruch, gelangweiltem Sex und kaltem Zigarettenrauch.“

Wobei anzumerken ist, dass sein Zustand im weiteren Verlauf nie mehr so gut sein wird, wie in dieser Situation …

Was Harry Rigby nicht ahnt, ist, dass ihn dieser Fall mit seiner eigenen Familiengeschichte konfrontieren wird. Seit früher Kindheit Waise, wuchs er mit seinem Bruder Gonzo in verschiedenen Kinderheimen auf. Beide schafften es bis heute nicht, die dunklen Tage ihrer Kindheit abzuschütteln. Alkohol und Gewalt sind für sie an der Tagesordnung. Als Harry eine Frau kennenlernt und mit ihr eine Familie gründen will, verführt Gonzo die Freundin seines Bruders und zerstört so diese Beziehung. Danach verschwindet er. Einzige Erinnerung an Gonzo ist ein Foto, das ihn beim Billardspielen zeigt.

Doch bevor Gonzo wieder auftaucht, kommt mit jeder neuer Wendung ein neuer Beteiligter – eine neue Kugel – ins Spiel. Welche Rolle spielt Tony Sheridan, Lokalpolitiker und Ehemann der Ermordeten, in dem ganzen Tohuwabohu? Was haben Frank und Helen Gonway mit dem Mord zu tun? Frank Gonway, ein erfolgreicher, jedoch zwielichtiger Auktionator, Immobilienspekulant und mutmaßlicher Drogendealer, beauftragt Rigby, Beweise für die Untreue seiner Frau zu finden. Undurchsichtig auch die Rollen der beiden Polizisten Detective Sergeant Ronan Brady und Detective Inspector Senan Galway.

Wie beim Anstoß die weiße Kugel, wirbelt Harry Rigby mit seinen Nachforschungen viele Kugeln auf, um in der hier so passenden Bildsprache des Billardspiels zu bleiben. Der Leser darf diverse Gewaltszenen durchleben, bis sich die einzelnen Kugeln bzw. Beteiligten aus der Geschichte verabschieden (weil ermordet) oder ihre Rolle klar wird.

Der Krimi und sein Personal spiegeln ein irisches Klischee wieder: Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll. Kein Gespräch, das nicht von Vulgarität und Zynismus geprägt ist. Gewalt jeglicher Schattierung ist ständiger Begleiter dieser Geschichte.

Sprachlich macht Declan Burke alles richtig, wenn er seinen ganzen Roman in genau die Tiefen des Sprachniveaus herabsinken lässt, in denen sich seine Protagonisten bewegen. Da gibt es kein beobachtendes Beschreiben eines übergeordneten Erzählers, sondern Burke wählt als (einzig logische) Perspektive für sein Buch den Ich-Erzähler Harry, der den Leser dann mit ins Geschehen zerrt, als wäre er live dabei.

Wer mit einer solch ruppigen Sprache, einem Plot, der nichts für schwache Gemüter ist, und der allgemeinen Wucht des Settings klarkommen kann, der wird mit „Eight Ball Boogie“ seinen Spaß haben. Ein deftiges Lesevergnügen – allerdings ohne großartigen Nachhall.

Buchdetails:

  • Aktuelle Ausgabe: März 2018
  • Verlag: Edition Nautilus
  • ISBN: 978-3-96054-068-7
  • Broschur: 272 Seiten

 

 

 

 

2 Gedanken zu “Saufen, Schlagen, F*****

  1. Ich glaube, ich tendiere da mehr zu „Billard um halbzehn“ – schon wegen der Sprache. Aber diese Rezension habe ich gerne und dankbar gelesen.

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