Familiengeschichten – Elizabeth Graver: Die Sommer der Porters

Sommer der PortersDie Porters besitzen ein Sommerhaus auf der Halbinsel Ashaunt vor Massachusetts, zu dem die Familienmitglieder immer wieder zurückkehren und wo sie viele Sommer verbringen. Diese Tatsache gibt dem vorliegenden Roman von Elizabeth Graver, soeben im Mare Verlag erschienen, seinen Namen: „Die Sommer der Porters“. Am Ende werden es einige Sommer sein, die im Nachhinein sicherlich auch in der Erinnerung miteinander verschwimmen.Sie verbringen dort viel Zeit, zumeist schöne Zeiten.

Genaugenommen lesen wir nicht nur von bestimmten Jahresabschnitten, sondern von mehreren Leben. Die Porters haben drei Töchter, Helen, Dossy und Jane, und einen Sohn, Charlie, der in den 40er Jahren, als die Geschichte beginnt, gerade in den Krieg gezogen ist. In der Nähe des Sommerhauses befindet sich ein Soldatenstützpunkt und sowohl die Töchter als auch das schottische Kindermädchen Bea machen dort verschiedene Bekanntschaften. Bea wird schon bald eine Entscheidung treffen müssen, für ein Leben bei den Porters – liebt sie doch Janie, jüngste Tochter der Familie, fast so wie ein eigenes Kind – oder für ein Leben als Ehefrau und Mutter. Doch auch die Schwestern Dossy und vor allem Helen erleben stürmische Zeiten, während die Eltern, die resolute Mrs. Porter und ihr Mann, der an den Rollstuhl gefesselt ist, stets ein wenig im Hintergrund bleiben.

Es ist schwierig, den Inhalt des Romans knapp zusammenzufassen. Was 1942 beginnt, endet kurz vor der Jahrtausendwende, wobei die Autorin einzelne Jahre herausgreift und sich dann in den groß angelegten Kapiteln jeweils auf einzelne Figuren konzentriert, während die anderen zwar stets präsent sind, aber nicht im Mittelpunkt stehen. So sind oft Helen oder ihr ältester Sohn Charlie, benannt nach seinem Onkel, im Fokus. Helen ist eine starke, aber auch widersprüchliche Person, die sowohl Familie haben als auch Karriere machen, allen und allem gerecht werden will und die hohe Ansprüche an sich und ihr Umfeld hat. Sie erkennt früh Charlies Potential, glaubt, dass er es weit bringen kann und unterstützt ihn, setzt ihn aber auch unter Druck, was zu Schwierigkeiten führt. Charlie hat als Heranwachsender einige Probleme, seinen Platz zu finden, in der Welt wie auch in der Familie. Er kämpft mit Depressionen und nimmt Drogen. Die Darstellung der Beziehung zwischen Helen und Charlie ist ein Herzstück des Romans. Entwaffnend und sehr klar zeigt Graver hier die Schwierigkeiten einer Mutter-Kind-Beziehung in ihrer ganzen Komplexität auf, eine Beziehung, die von gegenseitiger Liebe, aber auch von geschürten und enttäuschten Erwartungen, von Fehlern, Hoffnungen und der Schwierigkeit, sich gegenseitig wirklich zu verstehen, geprägt ist. Und nebenbei kommen im Laufe des Romans, je weiter wir uns chronologisch vorwärts bewegen, immer mehr Kinder bzw. Enkelkinder dazu, die auch weiterhin das Sommerhaus auf Ashaunt bevölkern. Die Perspektiven wechseln dabei genauso wie die Form, wenn Graver zum Beispiel die Handlung in Form von Briefen und Tagebucheinträgen erzählt.

„Die Sommer der Porters“ ist ein ruhiger Roman ohne große Knalleffekte, eine Geschichte direkt aus dem Leben, 60 Jahre im Zeitraffer erzählt. Ein Familienroman, der gar nicht erst versucht, alles zu erzählen, sich allen Figuren zu widmen, sondern der sich einzelne, entscheidende Episoden herauspickt. Dabei schafft Graver es, mit wenigen Sätzen ihre Charaktere zum Leben zu erwecken und von Anfang an eine eher stille, manchmal melancholische, oft aber auch sehr lebensbejahende Atmosphäre zu schaffen, so dass die Seiten beim Lesen des Romans nur so dahinfliegen. Es sind sowohl die Alltäglichkeiten als auch die schwierigen Entscheidungen, die schweren Zeiten, die gleichermaßen wie ein Film vor den Augen des Lesers vorbeiziehen. Man sollte sich einfach einlassen auf diese sehr gut erzählte Geschichte, die so unaufgeregt daherkommt, die komplexe Probleme in Worte fasst und aus der jeder etwas für sich herausziehen kann. Wer gut erzählte Familienromane ohne Effekthascherei mag, sollte „Die Sommer der Porters“ lesen und einfach abtauchen in diese Geschichte, denn genau dazu lädt sie ein.

Die Rezension ist ebenfalls auf letteratura erschienen.

Buchdetails:

  • Aktuelle Ausgabe : 5. Juli 2016
  • Verlag : Mare Verlag
  • ISBN: 978-3-86648-223-4
  • Gebunden: 464 Seiten

 

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