Sommer 1914 – auf dem Balkan fallen Schüsse. Der österreich-ungarische Kronprinz und seine Frau werden in Sarajewo ermordet. Die Lage ist angespannt, in Europa und in Deutschland fragt man sich, wie der Wilhelm II. seinem österreichischen Bündnispartner zur Seite stehen will oder wird. Das Militär genießt größtes Ansehen, die Offiziere sind hoch geachtet, auch wenn nicht wenige von ihnen einen Lebensstil pflegen, der über ihre Verhältnisse geht.
Andere Umtriebe werden nicht gern gesehen. Die Sittenpolizei hat nicht nur ein Augenmerk auf die sogenannten Kartendamen und die geregelte „Ausübung“ von Prostitution, sondern ebenfalls auf die Geschehnisse, die die lokale Presse als „alt-römisch“ bezeichnet. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern und doch wird das Treiben gewisser Kreise, vor allem, wenn Militärs im Spiel sind, nicht öffentlich benannt. Geht es doch um ein „Privatvergnügen“, das strafrechtlich strengstens verfolgt wird.
Heikel wird die Angelegenheit dann, wenn hochgestellte Persönlichkeiten oder eben Offiziere in den Ruf kommen, homosexuell veranlagt zu sein. Der Eulenburg Prozess ist noch nicht lange her, der Skandal, den dieser tatsächliche Rufmord entfachte, nicht vergessen.
Das ist die allgemeine Gemengelage, in der Kommissär Sebastian Reitmeyer in einem Todesfall zu ermitteln hat. Zunächst scheint es sich um einen Unfall zu handeln, doch die Untersuchungen der Pathologie ergeben schlussendlich etwas anderes und nachdem der erste nicht der letzte Tote bleibt, der unter mysteriösen Umständen sein Leben lassen musste, ist klar, dass hinter diesen Morden etwas anderes stecken muss, als der Zufall.
Angelika Felenda hat mit Der eiserne Sommer ein ambitioniertes Unterfangen nicht ganz perfekt umsetzen können. Historie und Krimi miteinander zu verbinden bedarf großen Wissens über die historischen Ereignisse, das ich der Autorin nicht absprechen will, die sie hier aber nicht wirklich mitteilen kann. Zu diffus bleibt die allgemeine Lage, die persönliche Einstellung der Hauptfigur Reitmeyer, zu ablenkend sind die Geschichten um alte, erneuerte Freundschaften, die, wie könnte es anders sein, auch noch mit den Fällen in Verbindung stehen. Hier wäre meiner Meinung nach etwas weniger mehr gewesen, hätte sich Felenda auf die Lösung der Fälle konzentriert und diese etwas feiner ausgearbeitet.
Der eiserne Sommer ist der Auftakt einer historischen Krimireihe um den Münchner Kommissar Reitmeyer – es bleibt also abzuwarten, ob sich Angelika Felenda einfach etwas aufheben wollte für die folgenden Bände, um ihren Kommissar lebendiger werden zu lassen. Der Verlag selbst lässt das Augenmerk im Klappentext auf die historischen Ereignisse 1914 fallen, die leider weiter keine Erwähnung im Roman finden. Deshalb ist Der eiserne Sommer für mich persönlich ein Kriminalroman mit historischen Beigaben, der sehr gut lesbar Unterhaltung bietet und die Atmosphäre der Zeit kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs greifbar macht.
Die Spannung im Roman hält Felenda gekonnt mit unterschiedlichen Einschüben aufrecht, die manchen Leser verwirren oder aus dem Lesefluss bringen mögen, aber gerade das macht den eigenen Charme dieses Buches aus. Dennoch: Ein paar Seiten weniger, ein paar Nebenhandlungen weniger hätten Reitmeyers ersten Fall griffiger erscheinen lassen.
Buchdetails:
- Aktuelle Ausgabe : 18. August 2014
- Verlag : Suhrkamp Verlag
- ISBN: 978-3-518-46542-4
- Klappenbroschur: 435 Seiten