„Planetenwanderer“, in den USA schon 1986 erschienen, wurde in einer Kurzbesprechung die ich gelesen habe, fälscherlicherweise als SciFi – Kurzgeschichtensammlung bezeichnet. Das hätte tragisch ausgehen können, da ich Kurzgeschichten meide, wenn es nur geht, auch wenn sie von einem Lieblingsautor stammen.
Ein neuer SciFi Held von gewaltigem Ausmaß
„Er war sehr groß, beinahe zweieinhalb Meter, und sein großer weicher Bauch wölbte sich über einen dünnen Metallgürtel. Er hatte große Hände, ein langes, seltsam unbehaartes Gesicht und eine steife unbeholfene Körperhaltung; überall war seine Haut weiß wie gebleichte Knochen und es schien als hätte er kein einziges Haar an sich.
und das nicht nur physisch, wäre mir so fast entgangen. Glücklicherweise kam es anders.
Mein neuer Stern am SciFi Heldenhimmel. Zumindest in diesem Roman. 😉
Haviland Tuf ist also der Planetenwanderer. Ein sehr eigenwilliger Charakter. Intergalaktischer Händler auf einem abgewracktem Schiff namens „Füllhorn der exzellenten Güter und niedrigen Preise“, nicht sonderlich erfolgreich, Philosoph und Katzenliebhaber und mit einem geradezu autistischen Sprachverständnis, welches eine wunderbare Komik hergibt. Noch dazu ist er Philantroph und Pazifist mit infolgedessen hohen moralischen und ethischen Standards. Menschen mag er allerdings weniger. Katzen sind ihm bedeutend mehr ans Herz gewachsen.
Dieser Tuf bereist nun die Galaxis. Durch gewisse Umstände „So legen wir Rechtmäßigkeit und Moral beiseite und kehren zur Gewalt zurück.“ gerät er in die Situation, die Welten mithilfe der Arche, einem riesenhaften Saatgutschiff für ökologische und biologische Kriegsführung OIK (ökologisches Ingenierkorps des ehemaligen föderalen Imperiums) der sich dort zahlreich versammelten Menschheit zu verbessern, und er nutzt diese Gelegenheit mit der ihm eigenen kreativen Logik aufs charmanteste.
Geprägt ist dieses amüsante Husarenstück und SciFi Schätzchen von Ironie und Witz:
„Es ist einzig und allein meine Schuld, Sir“, sagte Tuf, als es passierte. „Ich habe vergessen, dass Sie gelernter Bürokrat sind, und von daher zu praktisch gar nichts nütze.“
Die einzelnen Kapitel, die ursprünglich als fortlaufende Kurzgeschichten veröffentlicht wurden.
1. Der Seuchenstern; 2. Brot und Fische; 3. Wächter; 4. Die zweite Speisung; 5. Eine Bestie für Norm; 6. Nennt ihn Moses; 7. Manna vom Himmel sind keine richtigen Shortstories. Sie bleiben im zeitlichen Zusammenhang, spiegeln die Entwicklung des Protagonisten, bringen den Plot voran und ergeben so einen in sich abgeschlossenen Roman.
In unruhigen Zeiten, wenn das einfache Volk nach einer Retter- oder Leitfigur und damit im Endeffekt leider auch nach Diktatur und Knechtschafft giert, ist so ein ungewöhnlicher Held wie Tuf, dem sehr wohl bewusst ist, wie sehr Macht korrumpiert, der nun aber darüber verfügt und sie zu nutzen weiß, zum Wohle der Lebewesen auf den von ihm besuchten Planeten die er zwangsbeglückt, ein Glücksfall für das Universum und dessen Bewohner.
Es bleibt nur die Frage offen, wie die rettungsunwillige die Menschheit die ja bekanntermassen gerne weitermacht wie gewohnt gerettet werden
George R.R. Martin, der seit 1974 bis 2012 regelmäßig Preise wie den Hugo Award, den Locus Award, den Nebula-, den Bram Stoker– und den World Fantasy Award einheimst ist ein begnadeter Erzähler, leicht und flüssig zu lesen, humorvoll, mit Tiefsinn (na ja ;)) und überraschend kreativen Wendungen. In bester amerikanischer Erzähl – Manier lässt er den Leser in „Planetenwanderer“ das All mit seinen besiedelten Planeten durchstreifen, dabei verschiedenste Zivilisationen und Kulturen erleben. Mit Schwurbeligkeit hat er es nicht, straight und auf den Punkt wird erzählt.
Auch Leser, die nicht so genreaffin sind, können sich hier sicher fühlen. Alle typischen SciFi Elemente sind vorhanden, die Geschichte aber ist universell und gefällig zu lesen.
Besonders möchte ich „Planetenwanderer“ John-Scalzi- oder Douglas-Adams-Anhängern ans Herz legen. Wer sie kennt und ihren Humor schätzt, ist auch bei diesem Werk von George R.R. Martin gut aufgehoben.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 10.06.2013
- Verlag : Heyne
- ISBN: 978-3-453-31494-8
- Flexibler Einband: 450 Seiten