Eine Rezension von Rallus mit abschliessender Lobhudelei von Thursdaynext.
Gretchen Morgenthau ist nicht mehr so frisch wie der Morgentau. Aber Männer, die sie anhimmeln und über 40 sind, wirken auf sie schon etwas zu alt. Dabei ist sie mit 75 als Frau Intendatin eine Legende in Wien. Geld ist für sie Mittel zum Zweck, das gibt man aus!
„…aber es gibt Menschen, dachte Sie, deren einziges Ziel im Leben es ist, Geld anzuhäufen. Und dann sterben sie irgendwann und das Einzige, das sie hinterlassen, ist Geld, an ihre wohlstandsverwahrlosten Kinder, die davon Dinge kaufen, die blingbling machen.“
In ihrem Leben spielt sie Theater – und das auf der ganz großen Lebensbühne. Dass für sie auch die Gesetze wie für Normalsterbliche gelten soll, findet sie eher lästig. Und die Polizei, die sie aufhält, nur weil sie 8 Wein getrunken hat, muss sich für den zerbeulten Polizeiwagen nicht wundern. Jetzt soll sie, als richterliche Auflage, nach Gwynfaer bei Island und in 4 Wochen ein Theaterstück aufführen – mit nach Erde stinkenden Laienschauspielern. Was soll sie da zum Anziehen mitnehmen? Da muss sie doch das Schönste zurücklassen, aber das ganze Leben besteht eben auch aus Loslassen. Das Loslassen, das kann sie – nur eines nicht, ihre Person ist der Mittelpunkt, Gottgleich, alles um sie herum dient nur ihrem Zweck und wenn es nicht so funktioniert wie es soll, nimmt sie das als persönlichen Affront.
Auch wenn sie das Wesen der Natur schon richtig einordnet:
„Die Natur kennt kein Gut und Böse, sie kennt nur Opfer.“
Und sie ist eben keines.
Gwynfaer ist der nicht-personalisierte Gegensatz im Buch. So bodenständig und hochintelligent wie auf dieser Insel geht es wohl nur selten auf dem ‚Lande‘ zu. Doch hier zu viel Intepretation hineinzugiessen würde dem Buch nicht gerecht werden.
Ich zitiere: „Erwartungen auf Zero herunterschrauben – und einfach lesend geniessen.“
Dass Gretchen noch nicht Size Zero hat, wundert sie am meisten!
Das Buch lebt hauptsächlich von der Sprache und der wirklich aussergewöhnlichen Hauptperson – da ist die etwas zerfahrene Geschichte Nebensache. Einzlkind schafft auf jeder Seite Absätze, die man am liebsten jedem laut vorlesen, an die Wand pinnen oder für immer in seine Zitatensammlung aufnehmen möchte. Und lustig ist er auch noch, auch wenn mancher Witz doch genau so manche wunde Punkte unserer Zivilisation trifft.
„Humor ist eine sehr ernste Angelegenheit, deshalb verstehen lustige Menschen Humor ja auch nie.“
Einzlkind findet aber auch in den ruhigen Momente die richtigen Worte – und leider viel zu kurz findet das Buch unprätentiös ein Ende, wobei ihm da zum ersten Mal die Worte fehlen. (und mir auch)
(Thursdaynext) „So ein kompromissloses, in seiner kapriziösen Selbstsicherheit nie wankend werdendes biestiges altes Miststück zu erleben dürfen ist ein Geschenk. Gretchen ist eine Künstlerin, ein Gesamtkunstwerk in der Inszenierung ihrer selbst, genau wie dieses wort- und sprachgewaltige und auch sprachverliebte BUCHSCHÄTZCHEN. Mit Gretchen ist der, oder das Autor Einzlkind auf dem Zenit seines Esprit – bei falscher Betonung reimt sich das sogar, also muss es wahr sein ! Ihr dürft auch entscheiden ob ihr Zenit oder Esprit verunstaltet um an den Endreim zu kommen, Hauptsache ihr lest dieses mit 28 Dodos (Höchstpunktzahl) für Humor, Intelligenz, Witz und Sprachnutzung ausgezeichnete literarische Schmuckstück. Mit ebensolchem Vergnügen wie ich es hatte.“
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 15.04.2013
- Verlag : Edition Tiamat
- ISBN: 9783453438019
- Fester Einband: 240 Seiten
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