„Manja“ – die Wiederentdeckung eines Stückes Exilliteratur

ManjaManja ist eines von fünf Kindern, alle gezeugt in der gleichen Nacht zu Beginn der 20er Jahre kurz nach dem ersten Weltkrieg. „Manja“ ist auch der Titel des neu aufgelegten Romans der Anfang der 30er Jahre ins Exil gegangenen Schriftstellerin Anna Gmeyner.

Manja, Karli, Heini, Harry und Franz kommen aus verschiedenen Milieus, aus armen und reichen Familien, bürgerlich und sozialistisch. Es bestehen tiefe Liebe und Zusammengehörigkeit bei den einen, Hass oder Gleichgültigkeit bei den anderen. Manja kommt aus armen, jüdischen Verhältnissen. Sie ist das einzige Mädchen im Kreis der fünf Kinder, die Freunde werden, obwohl ihre Herkunft jeweils so verschieden ist. Für die Kinder spielt das zunächst keine Rolle. Manja ist der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Sie hält die Freunde zusammen und macht die Jungen, je älter sie werden, immer mehr zu Rivalen um ihre Gunst. Manja ist etwas Besonderes: ein guter Charakter, ein Mädchen, das es nicht gelernt hat, an das Böse zu glauben, das keinen Hass kennt. Sie kann nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die sie um ihrer Herkunft willen verabscheuen, die ihr schaden wollen, sie schlecht behandeln. Sie schwebt, scheint es, ein wenig über den Dingen.

Anna Gmeyner erzählt die Geschichte um die fünf Familien chronologisch von Beginn der 20 Jahre an bis in die Mitte der 30er Jahre. In starken Bildern schildert sie zu Anfang ihres Romans die Umstände ihrer Zeugung und stellt so die Familien vor. Überzeugend, wie sie darstellt, dass sich alles ändert, dass jüdische Mitbürger mehr und mehr zu Außenseitern werden, schleichend ist der Prozess, zunächst nur an Kleinigkeiten abzulesen, dann immer deutlicher.

„Wenn ich mir ein Sarggeschäft kauf, kein Mensch wird mehr sterben.“

So die Gedanken des Kaufmanns Meirowitz, nachdem dieser gezwungen wurde, einen abgetragenen, alten Anzug „umzutauschen“.

Gmeyners Protagonisten sind allesamt Platzhalter für eine bestimmte Gesinnung, ein Milieu. Trotz ihres plastischen Stils lässt sich nicht komplett verbergen, dass hier ein Schema zugrunde liegt, und dass Gmeyners Roman klare Absichten hat: Die Konstruktion ist deutlich erkennbar. Dem Lesefluss tut dies keinen Abbruch, da der Roman so lebendig geschrieben ist und zu fesseln weiß. Auch sind die Protagonisten stark in Gut und Böse eingeteilt, vor allem die Erwachsenen, an einigen Stellen malt Gmeyner ein wenig zu sehr in Schwarz und Weiß. Nur die Kinder sind hiervon nicht so stark betroffen, sie suchen noch ihren Platz und verstehen nicht recht, dass die Gesellschaft ihnen bis hinein ins Private Vorschriften macht: Denn irgendwann ist es nicht mehr möglich, sich einfach so wie immer jeden Mittwoch und Samstag an der Mauer zu treffen. Mit der Jüdin, wohlgemerkt.

Gmeyners Geschichte zeigt, dass es sie gab, diejenigen, die das Unheil vorausgeahnt haben, das erst nach Ende des Romans um Manja und auch nach dem erstmaligen Erscheinen im Jahr 1938, zur vollen Größe wuchs, auch wenn sie das Ausmaß nicht vorhersehen konnte. „Manja“ ist ein beeindruckendes Zeugnis jener Zeit. Danke an den Aufbau Verlag, dass er sich dieses Romans angenommen hat.

Buchdetails

  • Aktuelle Ausgabe : 6. Oktober 2014
  • Verlag : Aufbau Verlag
  • ISBN: 978-3-351-03415-3
  • Gebunden: 544 Seiten

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