Beatrice ist gerade 20, als sie an Alfredos Grab steht. Von seinem Tod erfährt der Leser gleich zu Beginn des Romans „Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung“ von Valentina D’Urbano. Die Erzählerin geht noch einmal zurück in ihre Kindheit, bis an den Tag, an dem sie Alfredo kennen lernte und seine beste Freundin wurde. Mit seiner Familie lebte er in der Wohnung über ihrer Familie, zusammen mit zwei Brüdern und einem alkoholkranken Vater, der seine Söhne im Suff immer wieder gnadenlos verprügelte.
In dem italienischen Ort, in dem die Geschichte in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts spielt, scheint das Schicksal der Menschen vorbestimmt, wer von hier kommt, der wird es im Leben zu nichts bringen. Die Kinder machen kaum ihre Schule zu Ende, in den sehr heißen Sommern schlagen sie die Zeit mit Biertrinken und Kiffen tot, sie machen früh ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Sie lernen von Klein auf, dass das Leben ihnen nichts schenkt, dass sie nichts zu erwarten haben. Wer aus „La Fortezza“ kommt, ist und bleibt ein Verlierer.
„Wenn Du zwischen sechzehn und dreißig Jahre alt bist und in La Fortezza lebst, ist die Chance draufzugehen, über dem Landesdurchschnitt. Wir waren am falschen Ort zur Welt gekommen, und wir kannten das Risiko, aber wir dachten immer, dass uns nichts passieren konnte. Mit achtzehn glaubten wir fest daran, dass wir unsterblich wären.“
Beatrice hat lernen müssen, dass dies nicht der Fall war. Von anderen wurden sie und Alfredo stets „die Zwillinge“ genannt. Immer zusammen, waren sie einander symbiotisch verbunden, konnten nicht ohne, aber auch nicht wirklich miteinander. Das herbe Leben, das dem Leser in D’Urbanos Buch gezeigt wird, vermittelt die Autorin in einer direkten, ungeschliffenen Sprache, hier wird alles direkt beim Namen genannt. Beatrice und Alfredo gehen nicht liebenswert miteinander um, sie beschimpfen sich, werden auch handgreiflich gegeneinander. Sie sagen sich nicht, was sie einander bedeuten. Lange gesteht Beatrice sich nicht ein, dass sie in Alfredo verliebt ist.
Valentina D’Urbanos Roman zieht den Leser immer mehr in seinen Bann. Ihr lakonischer Stil trägt seinen Teil dazu bei, dass der unaufhaltsame Prozess, der zu Alfredos Ende führt, um so mehr packt. Beatrice kann ihn nicht aufhalten. Langsam geht er an seinem Schicksal zugrunde. Es kommt der Punkt, an dem sie nichts mehr tun kann, außer bei ihm zu sein.
„Mit zwanzig hat man kein Geld für eine Beerdigung“ erzählt die Geschichte von Menschen, die sich in ihr vorgezeichnetes Schicksal fügen. Die versuchen, ihm zu entkommen, aber nicht wirklich daran glauben. Ein Roman, der durch die Verknappung seiner Mittel umso mehr wirkt, dem Leser zuweilen ins Gesicht schlägt. Eine fesselnde, schockierende und berührende Lektüre.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 01.02.2014
- Verlag : DTV
- ISBN: 9783423249997
- Flexibler Einband: 280 Seiten