J. Ryan Stradal hat mich mit seinem ersten Roman vor ein paar Jahren begeistert zurückgelassen. Der Titel: Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens. Sein zweites Buch, das noch der Lektüre harrt, betitelte er mit Die Bierkönigin von Minnesota. Da erscheint es nur folgerichtig, dass sein neuester Roman ebenfalls gutes Essen und Gastgeberschaft zum Thema hat. Was allerdings noch auffällt ist, dass immer Frauen im Fokus seiner Geschichten stehen, die es nicht ganz leicht haben und dennoch ein wenig Glück erhaschen können. Wichtig dabei ist immer, wen sie an ihre Seite lassen …
Auch dem Lake Side Supper Club sind vier Frauen einer Familie verschiedentlich verbunden. Für die eine – Großmutter Betty wird der Supper Club zur Rettung. Endlich kann sie dort ankommen, sich und ihrer Tochter etwas aufbauen, das hält. Während Betty es genießt, sich einzubringen und den Supper Club zu einer festen Größe in dem kleinen Ort am Bear Jaw Lake zu machen, den die Stammgäste gerne und häufig besuchen, wird es Florence dort bald zu eng. Florence träumt von einem anderen, vor allem eigenständigen Leben.
In Rückblenden wird klar, weshalb Florence sich niemals abhängig machen will. Nicht von anderen Menschen, nicht von anderem Geld. Und doch wird sie der Liebe wegen einiges tun, was nicht ihrem ursprünglichen Plan entspricht. Die Figur der Florence war für mich bis zum Schluss die rätselhafteste der vier Frauen, die Stradal nach und nach – nicht unbedingt chronologisch – ins Zentrum der Lektüre stellt. Mal glaubte ich zu verstehen, weshalb sie so ungreifbar war, mal ließ sie mich ganz nah an sich heran. Auf jeden Fall war es spannend, ihrer Entwicklung zu folgen, Rätsel um ihr Verhalten aufgelöst zu bekommen und ihr am Ende wirklich nah sein zu können.
Doch zu Beginn des Romans steht der Konflikt zwischen Florence und deren Tochter Mariel. Mariel hat sich dem Supper Club mit Leib und Seele verschrieben. Sie liebt diesen Ort noch mehr, als es ihre Großmutter tat und weil diese um Mariels Leidenschaft weiß, zieht sie alle Strippen, damit ihre Enkelin ihren Traum am Bear Jaw Lake verwirklichen kann. Dass der Konflikt zwischen Mariel und ihrer Mutter nicht nur auf der unterschiedlichen Beziehung zum Club fußt, wird nicht gleich klar. Stradal wartet, wie in seinen anderen Romanen auch, mit tiefgreifenden Ereignissen auf, die zu einem jahrelangen, begründeten Zerwürfnis führen.
Die letzte der vier Frauen der Familie ist Mariels Tochter Julia. Für sie ist der Supper Club nicht wirklich wichtig. Denn ein weiteres einschneidendes Ereignis führt dazu, dass sie die Verbindung zu ihrer eigenen Mutter verliert. Tragisch ist es und ich muss ehrlich sagen, ich musste das Buch erst einmal zuklappen und beiseite legen, weil mir genau das zu viel war. Dennoch habe ich Julia gerne noch weiter begleitet auf ihrer ganz eigenen Suche nach einem Sinn oder vielleicht besser dem Platz ihres Lebens. Mariel spielt dabei eine absolut wichtige Rolle. Und nicht erst an diesem Punkt, spulten sich vor meinem inneren Auge einige Szenen eines meiner absoluten Lieblingsfilme ab.
Grüne Tomaten war und ist für mich einer der schönsten, traurigsten und ermutigendsten Filme, die ich gesehen habe. Er erzählt nicht nur von gesellschaftlichen Ungleichheiten, die leider auch heute noch zuhauf vorkommen, sondern auch von Selbstermächtigung, der Wichtigkeit einen Platz im Leben gefunden zu haben und von Freundschaft. Vielleicht hat Stradal sich bei seiner Erzählung um die vier Frauen am Bear Jaw Lake von diesem Film inspirieren lassen, vielleicht ist das auch nur meine Verbindung, die mir eine wunderbare, nicht ganz schmerzfreie Lektüre beschert hat.
Samstagabend im Lake Side Supper Club von J. Ryan Stradal ist gebunden und von Kathrin Bielfeldt übertragen im Juni 2025 im Diogenes Verlag erschienen. Für mehr Information zum Buch per Doppelklick auf das im Beitrag abgebildete Cover oder direkt auf der Verlagsseite.

Hmm, ja das ist halt Geschmackssache
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Das Ende missfiel mir
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Gerade erst gesehen. Ja, klar. Ich schrieb ja auch, dass ich kurz Abstand nehmen musste. Ich glaube aber so im Nachhinrin, dass er einfach die Lebensrealität vieler Menschen eingefangen hat. Nur weil wir glücklicherweise von solchen Schicksalsschlägen verschont wurden, gibt es die zuhauf. Und er will einfach Geschichten erzählen, das klappt, wie ich finde gut. Aber was genau meinst Du mit „was sollte das“?
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So, fertig und ich mochte es, auch wenn es manchmal kurzfristig extrem an meine Gefühle ging und es war gut, bis zum Ende. Was sollte das dachte ich mir am Schluss. Ging es dir nicht ähnlich?
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Muss ich lesen, jetzt habe ich mich nämlich wieder an die Geheimnise der Küche des mittleren Westens erinnert, toller Roman!
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