Literaturpreise sind von jeher umstritten – mal ist es die Auswahl der Jurymitglieder, die professioneller, diverser oder was auch sonst hätte sein können, meist ist es die Wahl der prämierten Texte, die den diskursiven Stein auf sämtlichen Social Media Plattformen ins Rollen bringt. Man kann es eben nie allen Recht machen – und eigentlich ist das ja auch gut so, denn sonst gäbe es keine Vielfalt und Vielfalt ist nun mal das Salz in der evolutionären Ursuppe schlechthin. Dass es den ein oder anderen Eklat um eine Preisvergabe gibt, geschenkt so lange die Kritiker sich tatsächlich am Text abarbeiten. Sobald es allerdings persönlich wird oder Mitbewerber schlechten Stil beweisen, indem sie die Abfuhr, die ihr Text erhalten hat, nicht hinnehmen können – was menschlich aber halt auch nicht gerade erwachsen ist – und das dann auch noch vorzugsweise in den Medien reproduziert wird, werde ich hellhörig.
Prinzipiell wissen wir ja mittlerweile, auch die literarische Blase ist keine per se bessere als andere. Manchmal kommt mir der Verdacht, dass eher das Gegenteil der Fall sein könnte. Martina Hefter, die mit ihrem Roman Hey guten Morgen, wie geht es Dir? im Moment viele Preise erringt, ist keine neue, aber eine sehr wohltuende Stimme in der bunten Literaturszene. Wohltuend, weil immer unaufgeregt und dennoch voll Energie, am echten Leben orientiert, weil sie selbst trotz ihrer künstlerischen Vielseitigkeit niemals die Treppen eines Elfenbeinturms erklimmen würde.
Hey guten Morgen, wie geht es Dir? wird oft mit eingleisigen thematischen Etiketten versehen – ein Buch über Lovescamming, eine Liebesgeschichte, die Geschichte einer starken Frau zwischen Kunst und Leben. Das alles stimmt auch und findet sich gleichzeitig mit Themen wie Rassismus, Kapitalismus, Kolonialismus, prekären Lebenssituationen und vielem anderen, was die moderne Welt für uns Alltagsmenschen bereit hält, in diesem unglaublichen Buch. Unglaublich deshalb, weil es von vorne bis hinten handwerklich unübertrefflich geschrieben ist und man genau das dem Text nicht anmerkt. Für mich ist es deshalb unumstritten, dass Hefter jeden Preis verdient hat, den sie für dieses Buch bekommt.
Die Vielzahl der von ihr eingewobenen Themen, die immer wieder der Situation des Erlebens angepasst akkurate Sprache, die niemals schwergängig oder hölzern klingt, das Vorantreiben der Geschichte von Juno, deren Lebensmittelpunkt einerseits die Kunst, andererseits ihr, auf sie angewiesener, Mann Jupiter ist, das alles macht dieses Buch zu einem außergewöhnlich guten Buch. Meine anfängliche Scheu ob des mythololgischen Subtextes bzgl. der Namensgebung der Protagonisten und des Covers des Buches schwand mit jeder Zeile, die ich las. Und um dieses Gewebe, das unser aller Leben meist darstellt, in seiner Komplexität zu erfassen, benötigt Hefter weder hochgestochenes Pathos, noch tausende von Seiten, sondern macht das, was Kunst ausmacht: Sie holt alles aus ihrem Rüstzeug heraus, was sie hat und verschwindet, trotz der bekannten autobiographischen Züge, als Autorin hinter ihrem Text. Was für eine Wohltat!
Unbedingte Leseempfehlung!
Hey guten Morgen, wie geht es Dir? von Martina Hefter ist mittlerweile in der 13. Auflage bei Klett-Cotta erschienen. Für mehr Infos zum Buch durch Doppelklick auf das im Beitrag angezeigte Cover oder auf der Verlagsseite.
