Hame Tae Fascaray

Annalena McAfee‘s überaus beeindruckender Roman „Zurück nach Fascaray“ ist ein Buch für jene, deren Wunsch es ist, dem schottischen Wesen in all seiner Beschaffenheit einmal auf den Grund zu gehen. Und dies in aller Ruhe auf über 800 Seiten. Dabei bildet die fiktive Insel Fascaray, vor der schottischen Küste gelegen, einen Schmelztiegel der zahlreichen schottischen Naturwunder und dient McAfee gleichzeitig als Brennglas der blutigen und tränenreichen Geschichte Schottlands.

In ärmlichsten Verhältnissen bis ins 20. Jahrhundert gehalten, galten die Schotten den Engländern als faule und unkultivierte Gesellen, was absolut falsch ist. Denn die Schotten können auf eine uralte Geschichte, Kultur und Sprache zurückblicken. Und so ist er zu Recht durch sämtliche Jahrhunderte hindurch stets zugegen, der trotzige Drang der Schotten nach Freiheit und Unabhängigkeit.

Die Frage nach Identität beschäftigte nicht nur die Schotten lange Zeit, sondern plagt ebenfalls McAfee‘s Hauptprotagonistin Mhairi McPhail im beginnenden 21. Jahrhundert, deren Großvater selbst noch von der Insel stammte. Sie hingegen reist mit ihrer neunjährigen Tochter aus New York an, um in der Wahlheimat des schottischen Nationaldichters und Barden von Fascaray Grigor McWatt, als berufene Literaturwissenschaftlerin dessen Nachlass für ein örtliches Museum aufzubereiten, das es noch gar nicht gibt.

An das kosmopolitische New York gewöhnt, tut Mhairi sich anfangs schwer, auf der Insel anzukommen. Denn die raubeinigen und eigenbrötlerischen Bewohner stehen allen Neuankömmlingen argwöhnisch gegenüber. Zudem läßt sie sich nicht dazu herab, im örtlichen Pub dem Finnverinnity Inn zu erscheinen, um ihren Fall dazulegen, was einem Affront gegenüber den herrschenden Sitten und Gebräuchen gleich kommt.

Da helfen auch keine Roots. Stattdessen gilt es, sich den Respekt der eigenwilligen Dorfbewohner zu verdienen. Und dies schafft man nur mit Ausdauer und harter Arbeit. Also arbeitet sie an dem gewaltigen Nachlass des umstrittenen schottischen Nationaldichters. Auch auf Kosten ihrer Tochter.

Zu der gewaltigen Hinterlassenschaft des schreibenden Querulanten und glühenden Verfechters einer schottischen Unabhängigkeit gehören, neben unzähligen umgedichteten Gedichten bekannter englischer Poeten und seinen regelmäßigen, leidenschaftlich und sprachlich wuchtig geführten Essays zur Situation Schottlands im Allgemeinen und Fascaray im Besonderen, ebenfalls von ihm selbst erstellte Glossare zu gesammelten schottischen und gälischen Begriffen, die über vorkommende Moosarten bis hin zu unterschiedlichsten Ausdrücken für allerlei Arten von Regen reichen. Nach und nach stößt Mhairi auf Ungereimtheiten im Leben des sturen und undurchsichtigen Dichters, der mit seiner Hymne „Hame Tae Fascaray“ Berühmtheit erlangte, die ihm später gehörig gegen den Strich gehen sollte. Am Ende ihrer Recherche steht für Mhairi McPhail selbst alles auf Messers Schneide.

Annalena McAfee muß eine unglaubliche Arbeit in dieses Buch gesteckt haben, das so authentisch und lehrreich daherkommt, daß es uns sogar noch ärmliche schottische Rezepte wie zum Beispiel das für gekochten Basstöpel vorstellt. Wenn auch möglicherweise mit einem ironischen Unterton. Ja, selbst das Lied „Hame Tae Fascaray“ wurde von echten Schotten vertont und ist auf der Diogenes Seite zu diesem Roman zu finden. Diese umwerfende Detailverliebtheit ist herausragend zu nennen und unterstreicht Annalena McAfee‘s innige Liebe zu Schottland. Seiner vielgesichtigen Landschaft, seinen unbeugsamen Bewohnern, seiner Sprachen (Scots und Gälisch), seinem wechselseitigen Wetter, seinen Mythen und seiner tränenreichen Geschichte.

Und nur der überaus trefflichen Übersetzung von Christiane Bergfeld ist es zu verdanken, daß es ein derart berauschender Genuß ist, in dieses Buch epischen Ausmaßes einzutauchen.

Auch dieses Werk hält ohne Wenn und Aber Einzug in meine ausgewählte Küsten- und Meeresbibliothek.

Und ebenso wie es dem Barden von Fascaray zu eigen war, Gedichte englischer Autoren im schottischen Gewand neu zu präsentieren, beende ich diese Buchfeier mit den ersten Zeilen meiner ureigensten Fascaray Hymne, die sich melodisch und textlich sehr an „Yesterday“ von den Beatles anschmiegt, wenn auch ein wenig gestauchter:

„Fascaray! – You seem so faaaaaaaaar away! … But I believe in Fascaray!

Züruck nach Fascaray von Annalena McAffee ist im August 2018 im Diogenes Verlag erschienen. Für mehr Information dazu mit Doppelklick auf das im Beitrag abgebildete Cover oder auf der Verlagsseite.

Ein Gedanke zu “Hame Tae Fascaray

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