Warum wählt Amerika Trump?

Ende 2016 haben wir Europäer mit Kopfschütteln die amerikanische Präsidentenwahl verfolgt. Wie konnte Amerika nur diesen Mann, diese politische Niete zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wählen. Verfolgte man die Zeit vor der Wahl und hörte die Reden von Trump und Clinton, dann rieb man sich am Wahlabend verwundert die Augen. Das war noch nicht einmal knapp! Trump erhielt eine deutliche Mehrheit, auch von der sonst so demokratisch gesinnten Ostküste. Wie konnte es also dazu kommen?

Thomas Frank ist ein renommierter Journalist, er schreibt regelmäßige Kolumnen, ein zentrales Thema ist unter anderem die Beziehungen zwischen Politik und Kultur. In dem vorliegenden Buch gibt er einen guten Abriss der Politik in Amerika der letzten Jahrzehnte, und wie es letztendlich zu dem doch nicht überraschenden Wahlsieg Donald Trumps kam.

„Im folgenden Buch geht es auch um schlimme Entwicklungen. Sie werden jedoch bemerken, dass ich sie mit einer gewissen Leichtigkeit angehe. Das tue ich, weil es die einzige Möglichkeit ist, die Probleme unserer Zeit zu schildern, ohne in lähmende Verzweiflung zu versinken. ‚Wir leben in einem Land voller Scharlatanerie‘ schrieb einst H.L.Mencken, ‚und wenn wir nicht lernen, zu lachen, dann verfallen wir der Krankheit der Melancholie, mit der die Gilde der mahnenden Seher geschlagen ist.'“

Nun gelacht habe ich nicht nach dem Buch, aber Franke schreibt so leichtfüßig, dass ich trotz des politischen Themas, gut unterhalten wurde.

Das erste Kapitel ist dem freien Markt gewidmet und wie es dazu kommen konnte. Die Pleite von Enron ist ein Thema und natürlich der Selbstbedienungsladen Wall-Street. Credo: Je freier der Markt wird, desto unberechenbarer und gefährlicher wird er. Wie jeder 2008 beim Bankencrash gesehen hat. Lässt die Politik den Konzernen freie Hand, so partizipieren nur eine Handvoll Leute von den Dollars. Dieser Bankencrash und die staatliche Rettungsaktion der Banken, das aus dem Ruder gelaufene Vergütungssystem, die komplette finanzielle Misswirtschaft, mündete in eine Rezession. Und alles wurde durch Deregulierung und Steuersenkungen verursacht. Der gemeine Arbeiter oder Angestellte ist der gelackmeierte, wozu auch die schwachen Gewerkschaften beitrugen. Schmunzeln musste ich bei Frankes Bemerkung:

„In einer vernünftigen Welt wären sie [die CEO’s] die Ersten, die der Einsparung zum Opfer fielen. Ihr Job bei CNBC [Nachrichtensender] lässt sich sicher durch Holgramme attraktiver Republikaner im Stil der Mangafigur Miku Hatsune ersetzen, deren marktliberalistisches Geplapper problemlos von einem Servicecenter in Bangalore eingespielt werden könnte.“

DAS sind doch mal echte Einsparungen, anstatt 500 Leute zu entlassen und dafür einen doppelt so teuren Bonus einzustreichen. Im weiteren Verlauf des Buches räumt Franke mit einigen Märchen der Mächtigen auf. Innovation ist keine heilsame Methode um aus dem Schlamassel herauszukommen. Im Gegenteil, auch hier werden den IT-Konzernen Steuersenkungen verpasst und sie dereguliert, so dass wir in die nächste Krise hinein schlittern. (wie der unlängst bekannte Fall von Datenmissbrauch von Amazon zeigt).

„Und die Informationstechnik ist kein größeres Problem als Handel oder Globalisierung. Etliche unserer viel gepriesenen Innovationen stellen schlicht Methoden dar, uralte Manöver der Profitmaximierung auf neue und unregulierte Art und Weise durchzuführen. Ob dies mithilfe von Elektronik oder anders geschieht, ist nicht entscheidend. Teilweise ziehen diese Methoden ganz bewusst darauf ab, Regulierungen auszuhebeln und Verbote zu umgehen, oder sie verschieben das bestehende Gleichgewicht der ökonomischen Akteure dergestalt, dass Schutzrechte von Arbeitnehmern oder Urhebern ihre Wirkung verlieren.“

Republikaner und Demokraten, die beiden einzigen Parteien in Amerika, sind gar nicht so weit auseinander, wie es scheint. Das Zwei-Parteiensystem bietet, anders als in anderen Staaten, keine wirkliche Alternative. Gerade die Demokraten haben, laut Franke, ihre Aufgabe, hinter dem kleinen Mann zu stehen, nicht erfüllt. Die Linken haben versagt, sie sind zu einer Gruppe von Professionalisten verkommen, studierte Spezialisten, die in ihrem Elfenbeinturm sitzen und der Meinung sind: Das könnt ihr doch auch schaffen, wenn ihr euch genug anstrengt.

„Bleiben wir einen Moment bei dieser Absurdität. Die linken Parteien der Welt wurden gegründet, um die Sache der arbeitenden Bevölkerung zu unterstützen. Aber unsere linke Partei in Amerika – und wir haben ja nur zwei Parteien – hat diesen Menschen schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt und sich stattdessen zum Fürsprecher der höheren Berufe und Akademiker gemacht, der sogenannten Professionalisten, jener kreativen Klasse, die uns mit so innovativen Dingen wie Finanzderivaten und Smartphone-Apps beglückt.“ 

Franke nennt dies die ‚meritokratische Elite‘. Und so ist es kein Wunder, dass sich der normale Wähler von der Elite und der doch sehr unnahbaren Hillary Clinton abwendet und sich dem, in markanten, populistischen Sprüchen ergehenden Donald Trump, zuwendet. Für Franke ist es wichtig, dass sich die Demokraten der Fehler von Bill Clinton und Barack Obama bewusst werden und sich von der parteiinternen, verklärten Heiligsprechung der beiden ehemaligen Präsidenten abwenden.

Thomas Franke ist ein sehr gutes und, wie er eingangs schrieb, leichtfüßiges politisches Buch gelungen, welches Frankes Meinung in gut dargebotenen Beispielen belegt. Allen Interessierten der amerikanischen Politik (und nicht nur dieser, da die Fehler auch ansatzweise in Europa passieren) ans Herz gelegt.

 

Americanic von Thomas Frank ist 2019 im Verlag Antje Kunstmann als gebundene Ausgabe erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

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