Royale Dachschäden in Klein und Groß

Eines gleich vorweg über dieses Habsburger-Sachbuch: Es hat keine historische Struktur, und trotzdem hat es mich hier gar nicht gestört. Die Autorin Gabriele Hasmann präsentiert im Plauderton eine wundervolle Sammlung von teilweise mir bekannten aber auch vielen unbekannten Anekdoten über die Habsburger. Da sie nach der Art des „Dachschadens“ von der kleinen Marotte bis zur ernsthaften pathologischen Störung strukturiert und damit quer durch Jahrhunderte und Verwandtschaftslinien springt, ist somit ein chronologischer Aufbau überhaupt nicht gewährleistet. Für mich war diese etwas schräge Struktur kein Störfaktor bei der Rezeption, denn ich wusste meist ganz genau, wer wann wie mit welcher Verwandtschaft gemeint ist, da ich im österreichischen Geschichtsunterricht ohnehin sehr viele Haupt- aber auch Nebenlinien der kaiserlichen Familie lernen musste.

Hasmann präsentiert in einzelnen Kapiteln: Aberglauben, Magie und Hellsicht, Sado-Maso-Persönlichkeiten, echten Wahn und Wahnsinn, Ticks und Zwangsneurosen, Phobien und Süchte, Narzissmus, Dominanz und Fanatismus versus Laissez-faire, Lug, Betrug und Schurkenstücke und schlussendlich auch noch die sexuellen Eskapaden bzw. amourösen Auffälligkeiten.

Irgendwie ist das fast so, als könnte der Leser unter dem intellektuellen Deckmantel der historischen Forschung wie ein lüsterner Paparazzo und Boulevardmedienschreiber in die Stuben und Schlafzimmer der gekrönten Häupter schauen und einfach schamlos auch noch darüber tratschen und Witze reißen. Ich gestehe, da ja alle schon tot sind und es keinem mehr schadet, genieße ich mitunter so eine voyeuristische Nabelschau auf ganz tiefem Niveau sehr. Schließlich muss man sich ja auch mit den Schattenseiten der österreichischen Geschichte befassen 😉

Die Anekdoten waren wie gesagt teilweise ganz neu: Zum Beispiel wurde das Geheimnis von 007 gelüftet, der wahre Van Helsing identifiziert (das wusste ich schon) und die amourösen Abenteuer des Mannes von Maria Theresia mit seinem besten Buddy, Giacomo Casanova, durch das Hurenviertel am Spittelberg und durch die Bums-Droschken geschildert, inklusive wütender Gegenmaßnahmen der Ehefrau.

Es gab auch eine derart abgefahrene Story über mehrere afrikanische Menschen (Mohren), die dem Kaiser geschenkt wurden und die infolge der ungewohnten Kost und des Klimas nicht lange überlebten. Der Kaiser ließ ihnen die schwarze Haut abziehen und stellte sie als Figuren gekleidet und geschmückt aus. Da viele starben, hatte er bald eine ganze Rotte von Schwarzen beisammen.

Auch die – wie soll ich es höflich formulieren – extrem hässlichen Habsburgermerkmale, die sich durch die andauernde Inzucht gleichsam wie der Wahnsinn in manchen Linien vervielfachten, wurden von der Autorin mit spitzer Zunge erläutert. Im Rahmen des pathologischen Irrsinns war der Wurm schon seit dem 16. Jahrhundert in der Genetik der Familie durch die spanische Linie, respektive durch „Juana la Loca“, verankert.

Eine Geschichte hat mich am meisten verblüfft: Maximilian, der Kaiser von Mexiko, wurde offensichtlich nur zum Schein exekutiert, zumindest ist bewiesen, dass die neue Republik nicht seine Leiche überführt hat und ein Bürgerlicher in Salvador namens Justo Armas dieselbe Handschrift hatte.

Ach ja, im Kapitel Völlerei gibt es ein Rezept für Krebsgermnudeln, die Leibspeise von Maria Theresia. Das möchte ich unbedingt mal kochen.

Fazit: Für Anfänger im Hause Habsburg leider etwas verwirrend, wenn man auf historische Chronologie Wert legt. Für Profis in diesem Bereich und für Royal Watchers, die auf sensationelle Geschichten abzielen, aber doch sehr vergnüglich.

P.S: Eine Kleinigkeit ist mir noch aufgefallen. Der Verlag hat sich beim Coverbild von Leopold I. noch eine kleine Impertinenz einfallen lassen. Die hässlichen, wulstigen Habsburgerlippen wurden mit Folie oder Lack überzogen und springen dadurch dem Leser förmlich ins Auge. Das ist sooo böse und köstlich! 😀

Habsburgs schräge Vögel von Gabriele Hasmann ist 2018 im Verlag  Ueberreuter in Hardcover-Ausgabe erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

 

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