Zwischen den Jahren, wenn tatsächlich alles ein wenig ruhiger geworden ist, ich mir Zeit nehme für die Bücher, die ich zwar schon längst gelesen und hier vorgestellt haben wollte, schwelge ich auch gerne einmal in dem einen oder anderen Kochbuch. Vielleicht, weil ich ohne den alltäglichen Zeitdruck – wahrscheinlich kennen die meisten von euch, die Kinder haben, den täglichen Satz: was essen wir heute? – Freude daran habe, mir Anregungen für neue Rezepte zu holen, die in den alltäglichen Standard eingebaut werden können. Dabei stolpere ich hin und wieder darüber, dass es Kochbücher gibt, die viel mehr sind, als reine Rezeptsammlungen. Mehr noch als wunderbare bebilderte Rezeptsammlungen, Bücher, die einen immer begleiten werden.
A Casa aus dem AT Verlag ist definitiv ein solches. Claudio del Principe hat mit A Casa ein Kochtagebuch verfasst, dessen Untertitel Gut kochen. Besser essen. Jeden Tag. Programm ist und an die Basis der guten Küche appelliert, die für mich lauten: gute Zutaten, viel Hingabe und vor allem Zeit braucht es, um ein Gericht zu etwas besonderem zu machen. Für mich persönlich ist es das, was dieses Buch zu einem wahren Schatz macht. Aber nicht alle Kochbegeisterten werden das gut finden oder sich mit dem Kochbuch anfreunden können, denn mit schnell ist hier fast nichts auszurichten. Gerade in professionellen Küchen ist das Kochen ja Knochenarbeit, muss rasch von der Hand gehen und Zeit ist dort Geld. Ich weiß das natürlich und weiß auch um die Notwendigkeit, in einer professionellen Küche gut und zügig zu arbeiten, komme ich doch quasi familiär aus diesem Bereich. Meine Großmutter musste mit 14 Jahren die Küche des elterlichen Gasthauses übernehmen und tagtäglich viele Mahlzeiten zubereiten. Damals – wir sprechen hier von den Jahren ab 1921 – wurden viele Nahrungsmittel aber auch noch selbst „produziert“ und ihre Herstellung dauerte prinzipiell länger. Meine Urgroßmutter kümmerte sich um Gemüse und Geflügel, zog es heran, bis es von meinem Urgroßvater, seines Zeichens Metzger, geschlachtet wurde. Würste wurden selbst gemacht und geräuchert wurde auch – für mich war als Kind eine der tollsten magischen Ecken im Haus der Familie die Räucherkammer, weil sie obwohl lange nicht mehr benutzt, immer noch einen speziellen Duft verströmte, auch wenn ich nicht daran dachte, dass hierfür Tiere sterben mussten. Convenience gab es nicht. Alles war irgendwie Hausmannskost. Und das ist die Küche, die ich durch meine Großmutter lieben gelernt habe. Wer jetzt bei Hausmannskost denkt, schwer, fleischreich und nur deftig, der liegt falsch. Hausmannskost heißt für mich: regional, saisonal, gute Qualität, meist einfach und trotzdem für Auge und Gaumen äußerst delikat.
Mein allerliebstes Kochbuch ist tatsächlich (bisher) das von meiner Großmutter ererbte aus dem Jahr 1938 – interessant, jedoch sicherlich nicht glorreich dabei ist historisch betrachtet auch das Vorwort. In diesem Kochbuch sind all die Rezepte verzeichnet, die mich meine Kindheit über begleitet haben, denn da meine Großmutter daran gewöhnt war, immer in großen Mengen zu kochen, hat sie meist auch uns mit bekocht. Ihre Routine, die sie in all den Jahren beim kochen erwarb, machte ein rasches Vorgehen möglich. Auch wenn es zu Anfang vielleicht nicht das war, was sie sich vom Leben erhofft oder erwartet hatte, sie liebte es. Und wenn ich eines ihrer Rezepte veränderte, ein wenig modifizierte, war sie glücklich darüber und versuchte mit Begeisterung auch das, was sie bisher nicht kannte.
Wenn ihr euch jetzt fragt, was dieser Exkurs mit einem Kochtagebuch zu tun hat, dann kann ich nur sagen: für mich persönlich sehr viel. Denn Claudio del Principe hat ein Credo von seinem Vater übernommen, das dem meinen nicht unähnlich ist. Der nunmehr 90-Jährige gab seinem Sohn einen wichtigen Rat: „Iss nicht zu viel auswärts. Du ruinierst Dir den Magen. Nirgends isst Du besser als zuhause.“ Und so halten wir das auch. Kochen bedeutet für Claudio del Principe absolute Hingabe und Leidenschaft. Das lässt sich manchmal im Alltag nicht ganz umsetzen. Dennoch besticht sein Kochtagebuch gerade deshalb, weil nicht nur Rezepte enthalten sind. Der Teil des Buches, der die täglichen Gedanken von Claudio del Principe darbietet, liest sich einfach schön und lädt dazu ein, sich über gewisse Vorgehensweisen, was zum Beispiel die Auswahl der Lebensmittel oder den Anteil von tatsächlich selbst „produzierten“ Grundzutaten angeht, zu überdenken. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass man aus einem heimischen Apfel die Hefekultur für einen großartigen Sauerteig und damit für ein köstliches selbst gebackenes Brot fabrizieren könnte. Doch es scheint zu funktionieren. Ich bin sehr gespannt, ob ich das auch so gut hinbekomme – und wenn nicht auf’s erste Mal, dann eben auf’s zweite oder dritte. Denn auch das ist nur natürlich und passiert sogar solch leidenschaftlichen und versierten Köchen, wie Claudio del Principe.
Wer einmal einen Blick in das wunderbar gestaltete und bebilderte Kleinod werfen möchte, kann das hier tun. Zusätzlich bietet Claudio del Principes Blog „Anonyme Köche“ viele Informationen.
Bei mir steht A Casa übrigens nicht in der Küche, sondern liegt auf meinem Lesetisch, damit es so schön bleibt, wie es ist und ich einfach mal abends so reinblättern und schmökern kann – die enthaltenen Bilder sind im übrigen so großartig, dass man schon fast der Halluzination eines köstlichen Duftes erliegen könnte …
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe: 16.Oktober 2017
- Verlag: AT Verlag
- ISBN: 978-3-03800-970-2
- Halbleinen: 350 Seiten
Das stimmt. Ich liebe das sehr. Ich kann gewisse Dinge in der Küche im Schlaf und es macht den Kopf frei und dann noch ein leckeres Essen gemeinsam genießen. Großartig.
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Noch nicht, werde es nach deinem Tipp nachholen. Danke.
Gerade das sich Zeit nehmen sollte in der hektischen Welt zum obersten Credo erkoren werden. Wo, wenn nicht beim Kochen, kann man wunderbar runterfahren und das Genießen wieder lernen.
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das Buch ist sehr hochwertig gemacht und es ist auch ein Lesegenuss. Es geht wirklich viel darum, sich Zeit zu nehmen, selbst auszuprobieren, neu zu kombinieren und zu merken, manchmal ist weniger mehr. Der AT Verlag hat da sehr gute Bücher, die aus dem Gros der Rezeptbücher rausstechen. Das ist eine echte Anschaffung. Hast du mal beim Blog der Anonymen Köche vorbeigeguckt? Das ist auch spannend.
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Druck wollte ich keinen aufbauen 😉 Höchstens inspirierend einwirken.
Bin echt gespannt. Erst hat mich der Preis abgeschreckt, aber wir wollen ein paar Dinge ändern, was das Essen in der Familie angeht, und da klang dieses Buch wie gemacht für uns.
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Oha, das baut einen gewissen Druck auf 😉 Aber ich glaube, damit komm ich klar. Es ist ein tolles Buch und wenn Du bereits jetzt Dein Brot seit einem Jahr selbst bäckst, dann bist Du reif für das Buch! Es ist ein Kochtagebuch – bietet also auch viel Lesestoff. Herzliche Grüße, ich bin auf Deine Eindrücke zu dem Buch gespannt!! Bri
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Ich habe dieses Buch nun aufgrund deiner Besprechung bestellt und bin schon sehr gespannt darauf. Es klingt jedenfalls sehr vielversprechend.
Ich backe seit letztem Jahr mein Brot auf Hefebasis selber (Beitrag dazu bald auf dem Blog) und will demnächst den Schritt zu Sauerteig wagen. Es schmeckt so viel besser und ist eigentlich mit nicht so viel Aufwand verbunden.
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Zum Essen kommt die Familie in Ruhe – naja, nich immer – zusammen. Das ist wichtig. Ein zentraler Punkt. Schön, wenn man das so beobachten kann
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Absolut Richtig, Kinder am Küchenleben teilhaben zu lassen. Ich selbst bin so aufgewachsen, und meine Tochter macht es mit meiner jetzt zweijährigen Enkelin genauso, Wunderbare Fotos vom Plätzchenbacken vor Weihnachten, und alle Mahlzeiten werden zelebriert.
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Danke – das Problem bei der Hefebasis ist die gleichmäßige Wärme zwischen 24 und 26 Grad … mal sehen, wie ich das löse. Wenn ich dafür die Lösung habe, dokumentiere ich meine Verusche. Aber das Brot, dass er bäckt, sieht himmlisch aus … und wenn man den Sauerteig richtig pflegt – er nimmt ihn sogar i en Urlaub mit! – dann kann man ihn Jahrzehnte behalten … das hat mich fasziniert. wir könnten so unabhängig sein, wüßten wir einiges mehr. Aber da bin bich auf dem Weg. Und die Grunrezepte für gewisse Gerichte im Kopf zu haben, schadet ja nie. Mein Lütter wird jetzt auch in die Geheimnisse der Küche eingweiht – auf eigenen Wunsch – weil ich denke, dass jeder Mensch sich einfach gut ernähren können sollte und kochen nicht wirklich sooo schwierig ist. LG, Bri
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Für die Hefe aus dem heimischen Apfel wünsche ich viel Erfolg. Mir ist der Versuch, Hefe aus einem Teigrest zu produzieren mal gründlich misslungen. Ich habe dann aber auch vielleicht zu schnell aufgegeben.
Das Buch nicht mit in die Küche zu nehmen, halte ich für eine gute Idee – ganz spontan. Beim Lesen dieses Textes musste ich daran denken, dass ich selbst über ein Thema gut nur schreiben kann, wenn ich es „im Griff“ habe, und das heißt für mich, wenn ich beim Schreiben nicht dauernd in meine Recherchenotizen schauen muss. Vielleicht sollte man mit Kochrezepten ebenso verfahren. Meine Lieblingsrezept habe ich mir ohnehin nur „abgeguckt“ und bin auf mein Gedächtnis angewiesen.
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