Urlaub! Ein Zauberwort für alle hart Arbeitenden. Man nimmt sich Urlaub vom Alltag, von seiner Arbeitsstelle, vielleicht auch von seinem Partner oder einfach als Erholung von schweren durchlebten Situationen. Ein Termin, auf den man hinarbeitet und der so schön wie möglich sein soll. Unvergleichlich und unvergesslich. Dabei muss der Urlaub natürlich auch günstig sein. Billig, billig, gerade in Deutschland herrscht das Prinzip: „Geiz ist geil.“ Nicht Qualität ist gefragt, sondern soviel raffen wie es geht. Auch wenn man es zum Erholen gar nicht braucht. Wie steht man vor dem Nachbarn da, der dieselbe Reise 100 € günstiger bekam? Als jemand, der sich nicht richtig informiert oder geplant hat. Und das wollen wir Deutsche ja nicht. Denn bei uns geht es immer hoch organisiert her. Da können wir den Südländern mal zeigen wo der BIP hängt!
„Urlaube sind heute eine komplizierte Sache, die Leute informieren sich monatelang vorher im Netz, sie wägen Bewertungen gegeneinander ab und stellen Forderungen und verklagen den Veranstalter, weil morgens Pedro mit dem Traktor den Strand reinigt und sie dabei weckt. Es darf nichts schiefgehen.“
Vielleicht ist die Welt ja anders geworden, aber das Problem bei solchen Urlauben ist, dass sich bei all dem Wunsch nach dem perfekten Urlaub, die Menschen gar nicht mehr erholen können.
Wie war das bloß früher? Alexander Gorkow reist zurück in seine Kindheit und erzählt vom Aufwachsen in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens. Bei jedem Gespräch im Garten muss eine Pause wegen der lauten Flugzeuge eingelegt werden, die regelmäßig über den kleinen Vorort fliegen. Seine ältere Schwester, die schon früh eine etwas anarchistische Haltung einnimmt. Sein Vater der stoisch dagegen hält und die Mutter die alles zusammenhält. Die Familie fährt in Urlaub nach Mallorca, nach Canyamel. Der Ort liegt versteckt im Nordosten der Insel, weit weg von den Bettenhochburgen und den Ballermanns. Sozusagen eine unberührte und naturbelassene Ecke. Das Hotel Laguna, welches diesem teils autobiographischen Roman seinen Namen gab, ist auch eine Familiensache. Nach über dreißig Jahren kehrt Alexander Gorkow nach Canyamel zurück, entdeckt auf der Insel, dass alles beim Alten geblieben ist und sich doch viel verändert hat.
Verändert hat sich die Art und Weise wie Urlaub gemacht wird. Gerade auf Mallorca trifft diese spießige deutsche Mentalität auf die gelassene Art der Mallorquiner. Mallorca ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen, hat aber laut Umfragen mittelmäßige Bewertungen. Warum kommen trotzdem so viel Deutsche wie noch nie auf diese Insel?
„‚Wie passt das zusammen, Bernd?‘, fragte ich ihn am Ende unseres Spazierganges, ‚wieso immer dieses Elend über Mallorca in den deutschen Zeitungen und dann diese schöne Insel?‘ ‚Das passt nicht zusammen‘, sagte er und lächelte das milde, weise Lächeln des fast schon Eingeborenen. ‚Aber da kannst du nichts machen. Es gibt in Deutschland diese Mono-Brille auf Mallorca. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Es ist aber eher das Problem meiner alten Heimat. Den Mallorquinern ist das, wie so vieles egal.'“
Alexander zieht sich in Canyamel zurück, um diesen Roman zu schreiben. Er hat ein Sabbatical genommen und fristet im Hotel Laguna ein täglich gleiches Programm. Schwimmen, Frühstücken, Schreiben, Kanu fahren. Seine Beobachtungen der Urlauber sind witzig, teils kumulieren sie in zwar schönen, aber doch übertriebenen, ausufernden Ausschweifungen.
„Junge, schöne Eltern, ausgezehrt von Monaten der Schlaflosigkeit und der Nahrungsbeschaffung, wie Amseln die dreitausendmal pro Tag mit jeweils neuem Wurm im Schnabel zum Nest mit den Amseljungen hetzen. Sie sehen Werktätige, die sich und ihre von der Digitalisierung torpedierten Leben von daheim mitgebracht haben, immer noch bekümmert oder schon etwas erleichtert mit müden Füßen durch die Gischt spazierend. Sie sehen das, was fünfzig Berufsjahre und ein langes Familienleben ohne Personal, was Freude, Trauer, im Stau stehen, was böse Kollegen und abgefeimte Banken von diesen Werktätigen übrig gelassen haben: Menschen von endloser Würde und Weisheit mit der Patina eines erlebten, gefeierten, erlittenen Lebens, ja, mit der jeweiligen Patina von Leberschildkröten aus der Zeit Karls des Großen. Sie sehen, was man im Laguna sieht: uns. Die verdammte, grauenvolle, herrliche, hasserfüllte, liebesbedürftige, liebende Bevölkerung.“
Meist gelingen ihm aber kluge, böse und intelligente Beobachtungen, die er dann auch auf den Punkt bringt.
„Vor einem Zaun stehend, schaue ich auf eine Landschaft aus deutsch verspachtelten, jeweils identischen Doppelhaushälften. Dies alles war klar die Idee eines bösen Menschen: Ich lasse es besonders leblos und gewissenlos aussehen, dann kommen sie schon, die Deutschen.“
Besonders einfühlsam beschreibt er seine Familie, seine ersten Erfahrungen im Urlaub mit dem weiblichen Geschlecht, die Urlaube im Hotel Laguna, die Freundschaften, die er dort schließt und auch nach dreißig Jahren erinnern sich die Menschen an ihn. Es ist die andere Seite des Urlaubs, der herzliche, der menschliche Standpunkt.
Hotel Laguna ist eine wunderschöne Familiengeschichte und eine geistreiche Abrechnung mit dem Massentourismus. Alexander Gorkow schreibt einfühlsam, man ist mit seiner Familie sofort nach wenigen Seiten vertraut und wer schon mal auf Mallorca war, kennt diesen irritierenden Gegensatz von plattem Sauftourismus auf dem Ballermann und den wunderschönen Momenten, einsam auf dem Trumantana Gebirge mit einem Blick über die herrliche Insel. Beides wird der Urlauber nie vergessen. Insofern bringt es Alexander Gorkow dann doch auf den Punkt und schreibt eine etwas andere Familiengeschichte und ein aus der Reihe fallendes Reisebuch. Man sollte es sich nicht entgehen lassen.
Von Kiepenheuer & Witsch Verlag wunderschön als Halbleinen-Buch herausgebracht, so trotzt es jedem Strand und Sand und kann, im Hotel Laguna zurückgelegt, noch vielen Urlaubern Freude bereiten.
Buchdetails:
- Aktuelle Ausgabe: 13. Juni 2017
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN: 978-3-462-05116-2
- Halbleinen: 368 Seiten
Hey Ralf,
sehr spannendes Buch, finde ich sehr interessant…:) Vielen Dank dafür.
Ich finde allerdings, dass „Geiz ist geil“ sich glücklicherweise als Prinzip überholt hat.
Die Menschen achten wieder mehr auf Qualität und gutes Handwerk ist gefragt.
Wo ich dir zustimme ist, dass „Schnäppchen“ noch nach wie vor als „Schwanzvergleich“ herhalten.
Nicht meine Welt…:)
Es backt ein Brot
der Torsten
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