Erste Liebe

UnberührteIn der Jugend ist der Blick auf das Leben und auf die Liebe ein anderer als später. Wenn man Erfahrungen gesammelt hat – und zwar unterschiedlichster Natur – dann wird einem mehr und mehr bewusst, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie zunächst erscheinen. Und gerade, wenn es um die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht geht, wenn man sich seiner selbst noch so unsicher ist, dass man gar nicht begreifen kann, was der andere in einem sieht, gerade dann würde es sich lohnen, einen Schritt zurückzugehen und die Situation ganz neu zu betrachten. Nur dass man als junger Mensch dazu vielleicht nicht recht in der Lage ist.

Erste Erfahrungen machen in Pamela Erens Roman „Die Unberührten“ vor allem die junge Aviva und ihr Freund Seung, Koreaner, die sich auf einem Internat in den USA Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts kennenlernen und bald ein unzertrennliches Paar sind. Beobachtet werden die beiden von der ganzen Schule – und besonders von Bruce Bennett-Jones, der ihre Geschichte aus der heutigen Sicht des längst Erwachsenen erzählt. Bruce hat zum Zeitpunkt der Geschehnisse zwar eine Freundin, heimlich hegt er aber starke Gefühle für Aviva, die jedoch unerreichbar für ihn scheint.

Aviva und Seung stellen ihre Liebe vor allen zur Schau, demonstrieren, dass sie sich weder von Schulgesetzen, noch von moralischen Regeln unter Druck setzen lassen, sie können die Hände nicht voneinander lassen. Mit Hilfe von Seungs Freunden gelingt es Aviva immer wieder, abends ungesehen in sein Zimmer zu gelangen und es ebenso wieder zu verlassen. Selbstverständlich ist das streng verboten. Die beiden strahlen Selbstbewusstsein aus. Dass es drinnen anders aussieht, ahnen Außenstehende nicht.

Was Pamela Erens’ Roman ausmacht und ihre zunächst nicht gerade außergewöhnlich anmutende Geschichte um eine erste Liebe besonders macht, ist die spezielle Erzählweise: So ist Bruce einerseits ein stiller Beobachter, der gleichzeitig Teil der Geschichte ist, andererseits wird er aber immer wieder zum allwissenden Erzähler, wenn er über Dinge berichtet, die er eigentlich nicht wissen kann. Oder hat er sich das all das später zusammengereimt? Wie auch immer, dieser Kniff zeichnet den Roman aus.

Es gelingt der Autorin gut, die inneren Sehnsüchte und Nöte, die Ängste der jungen Erwachsenen zu zeigen. Die Sicht des inzwischen viel älteren Bruce, der aus der Distanz heraus versucht, die Geschehnisse zu verstehen, verhilft dem Roman zu einer weiteren, gewinnbringenden Ebene, auch wenn dieser ältere Bruce nur selten wirklich hervortritt. Zudem spürt man als Leser mehr und mehr, dass die Geschichte einem unheilvollen Ende entgegengeht.

„Die Unberührten“, im Original „The Virgins“ (tatsächlich übrigens nimmt die Autorin, was die Beschreibung der Sexualität angeht, kein Blatt vor den Mund), erzählt die Geschichte von erster Liebe und Erwachsenwerden, von dem, was nach außen hin sichtbar ist und dem, was wirklich innen drinnen geschieht. Und vom schmalen Grat zwischen Scheitern und Davonkommen.

Buchdetails

  • Aktuelle Ausgabe : 21. Januar 2015
  • Verlag : Beck Verlag
  • ISBN: 978-3-406-67543-0
  • Flexibler Einband: 297 Seiten

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