Als die junge Inderin Sapna Sinha eines Tages beim Besuch des Tempels einem Fremden begegnet, der ihr völlig überraschend die Leitung seines millionenschweren Firmenimperiums anbietet, hält sie das Ganze für einen schlechten Scherz und lehnt ab. Sieben Prüfungen müsse sie lediglich bestehen, und Vinay Mohan Acharya, so der Name des Mannes, ist überzeugt, dass sie sie alle meistern werde. Dann habe sie den Job. Sie sei die Richtige dafür, ganz sicher.
„Die wundersame Beförderung“ von Vikas Swarup erzählt die Geschichte der sieben Prüfungen, denn die Umstände zwingen Sapna erwartungsgemäß, das Angebot doch anzunehmen. Sapna weiß nicht, was auf sie zukommt. Die Prüfungen stelle das Leben, so Vinay. Nie weiß sie, ob eine Prüfung schon begonnen hat und sie vielleicht schon mittendrin steckt.
Sapna hat in ihrem Leben schon Einiges wegstecken müssen: Ihre jüngste Schwester starb früh unter tragischen Umständen, ihr Vater kam ebenfalls um. Sapna musste ihre Träume von einer Schriftstellerkarriere aufgeben und als älteste Tochter die Familie ernähren, zu der noch ihre Mutter und ihre Schwester Neha gehören. Sapna arbeitet in einem Elektronikladen als Verkäuferin, ein Job fürs Geld, mehr ist es nicht.
Wie in seinen beiden vorherigen Büchern ist es Swarup ein Anliegen, auf die Missstände in der indischen Gesellschaft aufmerksam zu machen: Auf die große Kluft zwischen armer und reicher Bevölkerung, darauf, wie die Armen von den Reichen ausgenutzt werden. Auf rückständige Rituale und die hohe Kriminalitätsrate im Land. Auf die weit verbreitete Korruption, gegen die es kaum ein Ankommen gibt. Die Prüfungen, denen sich Sapna stellen muss, hängen denn auch meist mit einem dieser Missstände zusammen. Sie haben aber auch immer mit ihrem Leben zu tun, mit ihrer Familie und mit ihr selbst und ihren Wünschen und Träumen.
Die indische Gesellschaft, die Swarup in „Die wundersame Beförderung“ zeichnet, ist stark in gut und schlecht unterteilt, wobei nicht immer gleich klar ist, wer in welche Kategorie gehört. Trotzdem, einiges ist vorhersehbar. Auch ist die Art und Weise, wie die meist sehr großen, eigentlich kaum lösbaren Konflikte, gelöst werden, zuweilen ein wenig einfach. Ein paar Zufälle sind zu viel. Andererseits passt das zuweilen schnelle Auflösen einer Situation gut zu dem märchenhaften Charakter, den diese Prüfungen haben, wie im Märchen wird die Moral gleich mitgeliefert. Sieben Prüfungen sind es, eine bedeutsame Zahl (und Swarup scheint Zahlenmythologie zu mögen. Zwölf Fragen waren es bei „Rupien Rupien“ bis zur Million. Sechs Verdächtige galt es in „Immer wieder Gandhi“ genauestens unter die Lupe zu nehmen). Die siebte Prüfung ist die schwerste.
Dass Swarup ein Anliegen hat, das lässt sich bei der Lektüre seiner wundersamen Beförderung kaum übersehen. Seine Protagonistin ist geerdet, mutig, gewissenhaft, loyal; sie ist „moralisch gut“, das ist deutlich. Sapna ist liebenswert. „Die wundersame Beförderung“ ist ein unterhaltsamer, rasanter Roman, der ein buntes Indien vor den Augen des Lesers zum Leben erweckt. Manchmal etwas plakativ. Manchmal ein wenig vorhersehbar. Spaß macht er trotzdem. Die Filmrechte sind bereits verkauft.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 10.09.2014
- Verlag : Kiepenheuer & Witsch
- ISBN: 978-3-462-04415-7
- Gebunden: 400 Seiten