Wald der träumenden Geschichten

 

Als ich dieses Buch in der Hand hielt, habe ich mich sofort in es verliebt. Das haptische und visuelle Erlebnis hat mich sofort dazu gedrängt: Kaufe dieses Buch! Nun, es gibt ja diesen schönen weisen Spruch Don’t Judge a book by its cover und so weise und erfahren der Vielleser doch sein mag, ab und zu schlägt er den Spruch in den Wind. Hab ich auch gemacht, nicht reingelesen, sofort gekauft. Da haben die Marketing-Jungs/Mädels alles richtig gemacht – ach egal!

Und der Anfang war recht vielversprechend. Ein Fantasy Buch, das sich nicht neuer Elemente bediente, aber diese in einer angenehmen Mischung für mich zusammenbrachte. Kein Kitsch! Kitsch kann ich bei Fantasy gar nicht ab. So ein bisschen Kinderbuch, aber rau genug, dass es auch mich als Erwachsenen ansprach.

Am Ende war ich etwas ratlos. Doch springen wir nicht ans Ende, lass mich dir geneigter Leser, von meiner Reise durch den verzauberten Wald erzählen.

Max ist sozusagen in das Leben gefallen. Nicht nur sozusagen. Er erschien einfach in den Bücherregalen eines Buchladens und war da. Aufgezogen wurde er von liebevollen Pflegeeltern, die ihm ein Heim gaben, aber nicht verhindern konnten, dass er sich immer fragte, wer seine wahren Eltern sind. Doch Antworten kann ihm niemand geben. Eines Tages findet er in die Welt der Bücher, in ihre überbordenden Fantasien und unendlichen Welten. Er beginnt, sie regelrecht zu verschlingen. Doch diese Welt ist in Gefahr, denn es gibt das Phänomen des Verschwindens. Menschen verschwinden einfach: Das hat es schon immer gegeben, doch hier liegt der Fall anders. Eben noch in der Welt, lassen sie nur ihre Kleider zurück und sind unauffindbar. Damit dies nicht zum Aussterben der Menschheit führt, verbietet die Wissenschaft die Fantasie. Menschen sollen im Hier und Jetzt leben. Bücher werden verbannt und verbrannt.

Max macht sich auf die Suche nach seinen Eltern und stößt auf den Wald des Anfangs, ein Ort der Märchen und Legenden, von dem er sich Antworten erhofft. HIer bekommt er auch Antworten, die ihm viele Dinge klarer erscheinen lassen.

„‚Aber Eltern kennen ihre Kinder.‘ ‚Deine eigene Erfahrung hat dich etwas anderes gelehrt.‘ ‚Sie sollten sie aber kennen. Das ist ihre Aufgabe.‘ ‚Das sind lediglich Wunschvorstellungen. Eltern sehen nur ihre Hoffnungen für ihre Kinder und die Ängste um sie. Eltern sehen Enttäuschungen und Spiegelungen ihres eigenen Scheiterns in ihren Kindern. Du kannst von diesen Menschen nicht erwarten, dass sie dich klar erkennen. Du kannst von ihnen nicht erwarten, dass sie wissen, wer du bist.“

Der Wald des Anfangs und seine Bewohner sind eine ganz neue Erfahrung für den pubertären Max. Er erlebt eine innere Reise und ein ganz neues Ich-Gefühl. Er ist Teil eines Ganzen.

„Das größte Missverständnis ist, dass ich mich nur von meinen Zehenspitzen bis zu meinen Fingerspitzen erstrecke. So waren Porterholes Worte gewesen, und jetzt plötzlich konnte Max ihre Bedeutung verstehen. Er war Teil von allem, was er sah, Teil der Bäume und der Tiere, die in ihnen lebten, Teil der Felder und Dörfer und Städte. Der Wald des Anfangs vibrierte vor Leben, und Max war Teil dieses Lebens.“ 

Auf seinem Weg lernt er Verantwortung durch die tote Martha, die in seinem Fingernagel wohnt. Und dann ist er plötzlich die letzte Hoffnung der Fantasie und der Bedrohung durch die Realität, die so nüchtern geworden ist, durch die Verbannung des Geschriebenen.

McNeill hat eine sehr blühende Fantasie und eine blumenreiche, aber auch teils harsche Sprache, die das Buch aber angenehm auflockern. So richtig kann ich diese Fantasy mit nichts anderem Gelesenem vergleichen, am ehesten fiel mir spontan noch Time Bandits von Terry Gilliam ein, der seinen Protagonisten in eine wundersame Welt wirft, aber doch die brutale Realität als Schockelement verwendet. In der Mitte wird das Buch etwas platt, aber nicht lange und zum Glück ist das Ende auch nicht in rosarotem Kitsch gebadet. Ein Buch, das eher für Kinder ab 14 Jahren geeignet ist, da es in manchen Szenen doch leicht verstörend wirkt.

 

Der Wald der träumenden Geschichten ist im August 2014 im Fischer Verlag erschienen. Weitere Informationen durch Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

Ein Gedanke zu “Wald der träumenden Geschichten

  1. Es ist leider schon einige Jahre her, seit ich das Buch las. Aber mir ging es damals ähnlich. Am Anfang fand ich das Buch sehr stark und habe die ungewöhnlichen Ideen geliebt. Das Ende fand ich dann aber doch dürftig und zu leicht/ zu schnell umgesetzt – als hätte Malcolm McNeill plötzlich die Deadline im Nacken gehabt, aber sich vorab noch keine Gedanken zum Ausgang der Geschichte gemacht.

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