Hamilton – „Gerneleser“ wissen, was sie erwartet: OPULENZ.
Ihm das vorzuwerfen ist albern, wer Hamilton kennt, weiß es, wer ihn großartig findet, geniesst es und wer damit nicht klarkommt, hat Pech. Naiv, zu glauben, dass derartig grandiose Universen, wie Hamilton sie mit der Commonwealth-Saga (ca. 4800 Seiten) und dem Armaggeddon-Zyklus, – der in etwa gleich viel Regaldezimeter wie der Commonwealth einnimmt – geschaffen hat, umfangreduzierter erzählt werden könnten. Anfangs jammerte ich auch immer, doch rückblickend war da schlicht nichts zu kürzen. Kopfkinorelevante, soziokulturelle Beschreibungen, philosophische Denkstupser, politische Systeme und ihre Auswirkungen, gesellschaftskritische Themen, Aliendarstellungen, der herrschende Zeitgeist, die Weiterentwicklung der Technik, all das nimmt in jedem Hamilton-Band zunehmend Form an, wird ausgebaut erweitert. Dabei bleiben die Handlungsstränge immer gut erkennbar, die Charaktere entwickeln sich, der Humor ist bereichernd. Das dauert. Darauf muss man sich als Leser*in einlassen wollen.
Seit der Armaggeddon-Saga, und besonders dem ausgetüftelten Commonwealth, liebe ich es, in Hamiltons Universen abzutauchen, wobei es wie bei Otherland, immer einen, wirklich immer, verdammten Handlungsstrang rund um eine Figur oder einen Personenkreis gibt, der mich nervt. Der aber, wie ebenfalls bei Otherland, unverzichtbar für das Gesamtkunstwerk ist. Im „Abgrund jenseits der Träume“ ist das Captain Slvasta, der viel Handlung einnimmt. So zog sich dieser Auftakt der „Chronik der Faller“ nach anfänglicher Euphorie über das Wiedersehen mit Nigel ein wenig. Nichts Neues, es ist die OPULENZ.
Sie garantiert aber das hohe Niveau und die für Epen erforderliche Komplexität. Wobei ich zugebe, dass ich um jeden neuen Hamilton, der Einzug in die heimische Bibliothek hält, erst mal herumschleiche, bis ich die geballte Wucht auf mich loslassen mag. Es braucht immer eine Initialzündung. „Der Abgrund jenseits der Träume“ ging beispielsweise als nicht gänzlich uneigennütziges Buchgeschenk erst durch die Hände des Göttergatten, der sehr angetan war, und kam dann bei mir an. (Kein Neid. ich weiß, es ist großes Glück mit dem Partner einen ähnlichen Buchgeschmack zu teilen, aber frau hatte ja einst die Wahl. 😉 )
Etwas verärgert war ich, als ich die vorangestellte Commonwealth-Zeitleiste durchlas. Hielt ich die Chronik der Faller doch für eine zwar im Commonwealth angesiedelte, aber eigenständige Reihe. Die Leiste beeinhaltet aber auch den Void-Zyklus, ebenfalls im Commonwealth angesiedelt und augenscheinlich vor den Fallern spielend. In diesem Epos wird „die Leere“ behandelt, die im „Abgrund jenseits der Träume“ eine tragende Rolle innehat. Wer den Void-Zyklus also noch nicht gelesen hat, dem fehlen Informationen. So muss man „die Leere“ als gegeben hinnehmen, und sich mit ein paar dünn gestreuten Infobrocken zufrieden geben. Nicht unbedingt ein Problem für den Leser, schlüssig ist letztendlich alles, aber für mich ärgerlich, da der Auftakt-Band zum Void-Zyklus, Träumende Leere, bereits auf dem SuB lauerte und zugunsten der vom Göttergatten heiß beworbenen Faller-Chronik dort noch immer ungelesen schlummert.
Empfehlung meinerseits: Wer Wert auf korrekte Chronologie legt und viel Leselust und Zeit mitbringt, widmet sich erst der Commonwealth-Saga, dann dem Void-Zyklus und daraufhin den Fallern. Wem’s wurscht ist, der haut rein, wo es ihm gefällt, denn Hamiltons Welten sind immer eine Bereicherung. Sein unverstellter, ungeschönter und dennoch positiver Blick auf die Natur der Menschen und die grandios bis ins kleinste Detail ausgearbeiten Welten sind für Space-Opera-Fans mit jedem Buch aufs Neue ein großartiges Geschenk.
Intelligenter Eskapismus, leicht lesbar geschrieben, trotz feinstens – dabei nie überbordend – ausgefeilter Technik und komplizierter gesellschaftlicher Verwicklungen, deren Ansätze durchaus auch mit dem zum Zeitpunkt der Entstehung aktuellen Weltgeschehnissen auf Terra, wie wir es kennen und bewohnen in Zusammenhang stehen. Jedesmal erneut begeisternd, wie Hamilton seine vielen feinen Handlungsverästelungen und Charaktere am Ende in einer schlüssigen, schriftstellerisch bombastischen Supernova zusammenführt.
Unbedingt beachten: Der zweite Band, und laut Klappentext, Abschluss der Faller – Chronik „Das Dunkel der Sterne“ sollte bereits bereit liegen.
Viel Vergnügen euch da draussen. Ich hatte es.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe: 05. Oktober 2015
- Verlag: Piper
- ISBN: 978-3-492-70391-8
- Klappbroschur: 816 Seiten
Ja wow! Okay, das wußte ich natürlich nicht. Werde dahingehend alles lesen, sobald ich mich wieder dem weiten und faszinierenden Feld des Sci-Fi zuwenden werde.
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Reiner feinster Stoff. Die beiden Faller Bände spielen in Hamiltons Commonwealth. Um in den vollen Genuss zu kommen sollte man die Commonwealth Saga und den Void Zyklus gelesen haben. Es funktioniert auch einzeln, die Commonwealth Zeitleiste ist aufschlussreich, aber dem echten Fan reicht es nicht.
Immer wieder gerne zu Diensten im Auftrag der Fiktion.
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Wenn das Buch an das Niveau und den Einfallsreichtum des Armaggedon Zyklus heranreicht, dann ist das ausgezeichneter Stoff! – Ich finde seine Arbeiten sehr überzeugend und absolut kopfkinofördernd. 😉
Danke dafür Thursdaynext.
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Das freut mich sehr. Vorgewarnt bist du ja nun. 😉
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Ich muss gestehen, dass ich den Autor nicht kenne. Da füge ich doch mal den ersten Teil der Commonwealth-Saga meiner Wunschliste hinzu. Danke für den Tipp!
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