Das Tagebuch eines Mädchens, während des Zweiten Weltkriegs geschrieben – das weckt unweigerlich Assoziationen zu Anne Frank.
Eine Ähnlichkeit ist aber nur vordergründig vorhanden, denn Hilke überlebt den Krieg, im Gegensatz zu Anne Frank. Wenngleich ihr Schicksal dennoch tragisch bleibt …
Hilke wird 1928 geboren und wächst in einer betuchten Hamburger Familie auf. Der Vater ist ein angesehener Rechtsanwalt, die Mutter hat die „Höhere Töchterausbildung“ und schmeißt den Haushalt zusammen mit ihren Angestellten. Die Familie, das sind die Geschwister Henning, Geseke, Brigitte und später noch das Nesthäkchen Regine, das erst 1942 geboren wird. Schon früh beginnt die Mutter, ihre Kinder aus der Großstadt aufs Land zu schicken, um sie nicht unnötig den Gefahren des Krieges auszusetzen. Immer länger werden diese Phasen, in denen die Kinder von ihrem Zuhause fort sind.
Hilke berichtet anfänglich in sehr kurzen Notizen. Sie klebt kleine Fundstücke ein, wie gepressten Klee oder Zeitungsausschnitte. Je älter sie wird, desto länger und reflektierter werden ihre Einträge. Man meint auch, dass der Wechsel von der altdeutschen zur lateinischen Handschrift, den sie miterlebt, ebenfalls eine Wandlung in der Länge ihrer Eintragungen mit sich bringt. Sie schreibt nun deutlich mehr. Doch vielleicht liegt dies auch an den Grauen des Krieges, die ebenfalls mehr werden und die sie verdauen muss. Sie sieht großes Unglück, Verletzte, Tote, und muss schneller erwachsen werden, als man sich das heute, behütet im neuen Jahrtausend, in Deutschland auch nur ansatzmäßig vorstellen kann.
Hilke kommt nach Hegne an den Bodensee, kann dort 1945 sogar einen Kursus als DRK-Helferin abschließen und hat es gar nicht mal so schlecht getroffen. In demselben Jahr macht sie in dem sonst eher nüchtern gehaltenen Tagebuch einen bemerkenswerten Eintrag: Hilke hat sich in ein Mädchen verliebt, ein gewisses „Fräulein D.“. Rührend schreibt sie über ihre Gefühle:
Ich liebe und verehre sie. (Wenn ich mal später diese Zeilen lese, ob ich es wohl dann noch verstehe, oder ob ich lächel und sage: Backfischschwärmerei.).
Im Mai schließlich beginnt ihr ganz großes Abenteuer: Der Krieg ist zu Ende und sie begibt sich auf eine ereignisreiche Tour von Hegne nach Hamburg, zurück in ihre frühere Heimat. Ohne Passierscheine schafft sie in drei Monaten das fast Unmögliche und beendet ihr Tagebuch ein für alle Mal mit den Worten „Total kaputt, aber unendlich glücklich.“
Das Buch ist ein Stück Zeitgeschichte, das jeden, der nicht komplett abgestumpft ist, anrühren wird. Ein guter Einstieg auch für Jugendliche, sich dem Thema Zweiter Weltkrieg zu nähern.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe: 1. Auflage 2009
- Verlag: hansanord
- ISBN: 978-3-940873-02-6
- Gebunden: 156 Seiten